: Augstein vs. Broder, Runde 2
ANTISEMITISMUS Henryk M. Broder bekräftigt seinen Vorwurf gegen Verleger Jakob Augstein. Der bezeichnet Broder wiederum als „Stalker“
AUGSTEIN ÜBER BRODER
BERLIN taz | Die Publizisten Henryk M. Broder und Jakob Augstein liefern sich einen Schlagabtausch. Das Simon Wiesenthal Center hatte Augstein in seiner jährlichen Liste der schlimmsten Antisemiten auf Platz neun gesetzt. Die jüdische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Los Angeles berief sich in ihrer Beurteilung auf den Kolumnisten Broder – der legte am Wochenende noch einmal nach. Das „Lupenreine an Augsteins Antisemitismus“ sei „die absolute Eins-zu-eins-Übertragung von allem, was früher über die Juden gesagt wurde, auf Israel“, sagte Broder der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Augstein entspreche dem modernen Typus des Antisemiten, welcher der relevante sei. „Mich interessiert nicht der letzte Holocaust, sondern der mögliche nächste, dem mit Texten wie denen von Augstein der Weg geebnet wird.“
Augstein wiederum bezeichnete Broder als „Stalker“. Broder sei zwar entzückend, lustig, reizend. „Das Problem ist nur: Er spinnt. Und in diesem Fall hat das Spinnen einen Grad erreicht, wo der Spaß aufhört“, sagte Augstein in derselben Zeitung.
Die Debatte hatte auch für Broder Folgen. Er kündigte an, nicht mehr als Kolumnist für den RBB-Hörfunksender Radioeins zur Verfügung zu stehen. Der Grund: Am Freitag war anstatt seines wöchentlichen Kommentars ein Experteninterview zum Antisemitismusvorwurf gegen Augstein gesendet worden. Dieses Verhalten sei illoyal und sachlich durch nichts zu rechtfertigen, schrieb Broder in der Onlineausgabe der Welt. Sein Austritt habe immerhin den Vorteil, dass er nun auch freitags ausschlafen könne.
Der ehemalige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert wirft dem RBB in dieser Sache nun „Zensur“ vor. Der Sender habe die Radiokolumne von Broder wegen des Antisemitismusvorwurfs gegen den Verleger Jakob Augstein aus dem Programm genommen, behauptete Wickert in einem Kommentar für die Bild am Sonntag.
Befeuert wird die Diskussion außerdem wegen eines Kommentars des Journalisten Christian Bommarius. „Es spricht für den deutschen Rechtsstaat, dass Henryk M. Broder bis heute frei herumläuft“, hatte Bommarius in der Frankfurter Rundschau geschrieben. Solomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, kritisiert Bommarius’ Aussage: „Stellen Sie sich das einmal vor! Mit anderen Worten: Wenn er, Bommarius, das Sagen hätte, würde Broder nicht mehr frei herumlaufen in unserem demokratischen Rechtsstaat. In diesem einen Satz zeigt sich, dass hier untergründig Dinge schlummern“, sagte er der FAZ.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hat den Antisemitismusvorwurf gegen den Publizisten Jakob Augstein zurückgewiesen. Zwar schreibe Augstein über Israel „mit dem Fingerspitzengefühl eines Bulldozers“, allerdings gehöre der Verleger nicht auf die Liste der zehn weltweit schlimmsten Antisemiten, die das Simon Wiesenthal Center veröffentlicht hatte, sagte Graumann. Augstein mache in Sachen Israel Stimmung und „reitet auf der Welle von Populismus“. Einen „camouflierten Antisemitismus, der sich der Israel-Hetze bedient“, wolle er Augstein aber nicht unterstellen, betonte Graumann.
Rabbi Abraham Cooper, stellvertretender Direktor des Simon Wiesenthal Centers, verteidigt die Entscheidung für Augsteins Listenplatz. „Israel kann nicht tun und lassen, was es will, ohne sich der Kritik zu stellen“, ebenso erhalte ein Journalist keinen Freifahrtschein, nur weil er einen Presseausweis besitzt, sagte Cooper Zeit online. Er forderte Augstein dazu auf, sich bei den Lesern und dem jüdischen Volk zu entschuldigen.
CIGDEM AKYOL