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Archiv-Artikel

Bleibt alles anders

Mehr als 30 Jahre sind Rolf und Tomke aus Bremen jetzt verheiratet und haben doch lange nebeneinander gelebt. Als Rentner haben sie nun mehr Zeit füreinander als je zuvor – und versuchen, sich noch einmal neu zu begegnen

Eine ganz normale Ehe. Rolf hat das Geld verdient, Tomke den Haushalt geführt und die beiden Jungs groß gezogen. „Jeder ist seinen Aufgaben nachgekommen.“ 32 Jahre lang, tagein, tagaus. „Und abends ist dann meistens auch nicht mehr viel gelaufen“. Außer dem Fernseher. „Wir haben nebeneinander gelebt“.

Rolf und Tomke – eine typische Liebesgeschichte? „Es hat sich immer alles so ergeben“, resümiert die 64-Jährige. Bis vor drei Jahren, als Rolf das letzte Mal zur Arbeit gefahren ist. Eine schwierige Zeit. „Wir mussten erst wieder lernen, uns zu begegnen.“ Gemeinsam „laufen lernen“, wie Tomke sagt. Rolf schweigt, Nicken gilt als Zustimmung. „Nein“, sagt der 65-Jährige, das Problem sei nicht, die viele freie Zeit auszufüllen. Gemeinsame Aktivitäten, der Garten in Bremen-Nord, ein bisschen Sport, Spaziergänge.

Überhaupt: Mit einem Spaziergang hat alles angefangen, damals im Februar 1972. Beide waren nach Österreich gefahren, wollten Skifahren – doch Tomke lag mit Grippe im Bett. Rolf kam mit einem Radio vorbei, auf Anraten eines guten Freundes. „Das Radio war der Anfang.“ Ohne Radio, da ist sich Rolf sicher, da hätte er seine Frau Tomke nie kennen gelernt. „Es war nicht meine eigene Idee.“ Ein Spaziergang, und keine zehn Monate später waren die beiden schon verheiratet. 32 Jahre ist das jetzt her.

Jetzt will Tomke es mit Udo Jürgens halten. Mit 66 soll das Leben neu beginnen. Zum Beispiel mit einer Reise. Letzthin sind sie „einfach mal losgefahren“, erzählen die beiden stolz, während sie einträchtig nebeneinander auf dem Sofa sitzen. „Mehr als vier Wochen haben wir es zusammen ausgehalten.“ Tomke schmunzelt. Ob es Streit gab? „Nein.“ Und die Abstimmung? „Lief was wie von selbst.“ Rolf nickt.

„Die Toleranz ist das Wichtigste“, sagt Tomke – und gibt sich selbstkritisch. „Ich muss noch ganz gewaltig lernen.“ Lernen, weniger kontrollieren zu wollen. Lernen, weniger zu kommentieren, zu kritisieren. Und lernen, miteinander zu reden, auch über die Beziehung. Bislang geschieht das „eher zufällig“, sagt Tomke. Dafür waren sie eine Woche lang zusammen in Bad Zwischenahn, im Bildungsurlaub der Volkshochschule. „Späte Liebe, spätes Glück“ heißt das Seminar, zwei Mal waren die beiden jetzt schon da.

Klar, dass es da auch um Sex geht. „Aber seit den Wechseljahren ist es besser als vorher“, sagt Tomke – und grinst. Endlich nicht mehr über Verhütung nachdenken. „Und wenn es nicht mehr so funktioniert wie früher: Streicheln ist auch schön.“

Jan Zier