: Neun Jahre Haft für bekennenden Neonazi
ÖSTERREICH Urteil gegen Gründer und Betreiber einer rechten Website. Sein Anwalt kündigt Berufung an
AUS WIEN RALF LEONHARD
Neun Jahre Haft für den Neonazi Gottfried Küssel lautet das überraschend harte Urteil, das das Geschworenengericht in Wien am Donnerstag in der Nacht verkündete. Überraschend, weil dem wegen rechtsextremer Aktivitäten mehrfach vorbestraften Angeklagten das ihm zur Last gelegte Delikt nicht lückenlos nachgewiesen werden konnte. Ihm wird vorgeworfen, die Einrichtung der Neonazi-Homepage Alpen-Donau.info (kurz: Adi) angestiftet zu haben. Die beiden Mitangeklagten Felix B. und Wilhelm A., die die Website entworfen und betreut haben sollen, kamen mit sieben bzw. viereinhalb Jahren relativ glimpflich davon.
Über den Charakter der Website und die Ideologie der Angeklagten herrschte nie Zweifel. Der 54-jährige Küssel, der sich selbst in Medien als Nationalsozialist bezeichnet hat, wurde 1990 als Gründer und Anführer der „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ (Vapo) wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu elf Jahren Haft verurteilt. Vapo-Mitglieder wurden im Verprügeln und Besiegen von „Vertretern des verhassten Systems“ trainiert. Die Alpen-Donau.info, die von einem Server in den USA betrieben wurde, fungierte seit 2009 als Sprachrohr österreichischer Neonazis. Sie wurde auch von zumindest einem – inzwischen aus der Partei ausgeschlossenen – FPÖ-Abgeordneten genutzt.
„Noch sind wir verborgen, aber morgen, aber morgen …“, so endet ein „Jubiläumsvideo“ auf der Website, das den Laienrichtern zur Illustration vorgespielt wurde. Nach mehreren Fehlversuchen der österreichischen Polizei verschwand sie im März 2011 aus dem Netz.
Dass die Website praktisch schon „tot“ war, als die Angeklagten festgenommen wurden, war für Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter ein starkes Indiz für deren Autorenschaft. Küssel soll als Initiator und Inhaltslieferant fungiert haben, B. als Administrator, Kampfposter und „ technisches Mastermind“. Wilhelm A. sei für Einrichtung und Verschleierung der Spuren verantwortlich gewesen.
Nachzuweisen war Küssel nur, dass er die Einrichtung einer solchen Homepage „angeregt“ hatte. Dass er auch Inhalte darauf platziert hat, kann man nur durch den Vergleich mit auch anderswo publizierten Dokumenten schließen. Der Schuldspruch der Geschworenen für den Hauptangeklagten fiel mit 5:3 denkbar knapp aus. Ein 4:4 hätte Freispruch bedeutet. Denn Küssel war zwar von seinen Kumpanen belastet worden, aber, so sein Anwalt Michael Dohr: „Fakt ist: Es wurden keine Zugangscodes auf Küssels Rechner gefunden.“ Diese wurden nur bei den Mitangeklagten sichergestellt. Dohr kündigte Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an. Seiner Meinung nach sei unberücksichtigt geblieben, dass Küssel, der 1994 während der Haft geheiratet hatte, drei Kinder zu versorgen und sich als liebender Familienvater bewährt habe. Die Urteile sind daher noch nicht rechtskräftig. Es wird spekuliert, dass in der nächsten Instanz mildere Urteile ergehen könnten.