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Archiv-Artikel

Redakteure raus

Zeitungen in Stuttgart verkaufen sich schlechter als anderswo. Deshalb setzen die beiden hiesigen Blätter – „Zeitung“ und „Nachrichten“ – wieder mal Mitarbeiter vor die Tür. Oder ist es vielleicht genau andersherum? Seit die Zeitungsgruppe Stuttgart ihre Mitarbeiter vor die Tür setzt – fast 400 in den vergangenen fünf Jahren –, verkaufen sich die Zeitungen schlecht

von unserer Redaktion

2012 war das fünfte schlechte Jahr in Folge: Wieder vier Prozent Auflage verloren, wieder gingen die Anzeigenumsätze um einen zweistelligen Millionenbetrag zurück. Und wie in jedem Jahr seit 2008 reagiert das Management der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), zu der Stuttgarter Zeitung (StZ) und Stuttgarter Nachrichten (StN) gehören, darauf mit seinem bewährten 3-P-Programm: Preise erhöhen, Produktqualität senken, Personal abbauen. Eine Frage der Zeit, wie lang das noch gut geht.

P 1, die Preise: Neuerlich hat der Abopreis zum 1. Januar um satte neun Prozent aufgeschlagen. Die sechste Erhöhung in Folge weit oberhalb der Inflationsrate. Außer dem Strompreis hat sich kaum etwas so sehr verteuert seit 2008 wie in Stuttgart eine Zeitung zu halten. Ebenso wurden auch zu jedem Jahresbeginn die Millimeterpreise für Anzeigenkunden deutlich erhöht – bei gleichzeitig überdurchschnittlich sinkender Auflage und Reichweite.

P 2, die Produktqualität: Durch verändertes Layout, Umfangeinsparungen und das Weglassen bestimmter Themenseiten produziert die StZ heute fast 20 Prozent weniger journalistischen Inhalt als noch 2007. So weit Anzeigen auch Inhalte sind, ist der Rückgang noch drastischer: 560 Seiten waren es 2012, 3.000 in den Jahren bis 2007. Gespart wird außerdem bei Papierqualität, Druck und Vertrieb, die Korrekturabteilung wurde abgeschafft, in der Redaktion wurden Ende 2009 erstmals Mitarbeiter abgefunden, und seit einiger Zeit gibt es eine Wiederbesetzungssperre, die auch schon einige Jobs gekostet hat.

P 3, Personalabbau: Gut 300 Stellen quer durch den ganzen Verlag, also ein Viertel der gesamten Belegschaft in Stuttgart, hatte der SWMH-Chef Richard Rebmann bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2008 als überflüssig identifiziert und Zug um Zug abgebaut. Zwar ist Rebmann von den Gesellschaftern inzwischen seinerseits als überflüssig identifiziert und zum Frühstücksdirektor befördert worden, doch sehen auch die jetzigen Chefs ihr Heil in weiteren Kündigungen: Vergangene Woche wurde 13 Mitarbeitern des Anzeigen-Innendienstes der Stuhl vor die Tür gestellt, Anfang dieser Woche wurde im Rahmen kurzfristig einberufener Abteilungsversammlungen auch den Redakteuren von StZ und StN die schlechte Nachricht überbracht: Im Zuge eines neuerlich siebenstelligen Einsparprogramms müssen auch die Redaktionen ihren Anteil bringen. Eine Woche lang sollen Freiwillige sich melden, die gern abgefunden werden würden, danach würden die Chefredakteure „gezielt auf Leute zugehen“. Dabei sollen, laut einer Pressemitteilung der SWMH, betriebsbedingte Kündigungen „vermieden“ und „einvernehmliche Vereinbarungen getroffen“ werden. Mit diesen „internen Umstrukturierungen“ reagiere man, so der Konzern weiter, auf die „schwierigen Entwicklungen“ in der deutschen Verlagsbranche. „Anpassungen im Personalbereich“ seien dabei „leider nicht zu vermeiden“.

Das fortgesetzte Missmanagement in einem Unternehmen, das bis zu Rebmanns Amtsübernahme so gut aufgestellt war, dass die 2007 vollzogene 4/5-Übernahme des Süddeutschen Verlags (Süddeutsche Zeitung) keineswegs als großes Risiko erschien, geißelte am Dienstag auch die Mediengewerkschaft Ver.di. Deren Fachbereichsleiter Gerd Manthey bezeichnete es als „erschreckend, wie hier eine Premiumzeitung zum Provinzblatt gespart“ werde und die Qualität des Produkts dabei keine Rolle mehr spiele. Verlegern, sagte Manthey der Kontext:Wochenzeitung, die ihren Auftrag aus Artikel 5 des Grundgesetzes so missachteten, müsse „unbedingt die Lizenz entzogen“ werden.

Die Redaktionen selber, die dem Dilettantismus in der Chefetage des Möhringer Pressehauses bisher – nach außen hin zumindest – weitgehend klaglos zugesehen hatten, nahmen die Hiobsbotschaft vom Dienstag zur Kenntnis. Ein Belegschaftsvertreter merkte noch an, die „eigentliche Katastrophe“ sei gar nicht mal der neuerliche Personalabbau, sondern die Tatsache, dass weit und breit „keine unternehmerische Idee“ zu erkennen sei.