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Archiv-Artikel

Erschöpft und überfordert

THEATERFESTIVAL Zum siebten Mal präsentiert das Nachwuchs-Festival Freischwimmer aktuelle deutschsprachige Theater-, Performance- und Live Art-Produktionen. Bis nächsten Samstag gastiert es mit sieben Projekten zum Thema Selbstverwertung auf Kampnagel

Wie klingt ein neues Arbeiterlied für ausgebrannte Einzelkämpferinnen?

VON ROBERT MATTHIES

Erschöpft sitzt King Kong inmitten all der Hochhäuser aus Lautsprechern und sinniert über sein Leben. Immer wieder bauen die Menschen die gerade zerstörten Häuser erneut auf. Frustrierend, gerade wenn man Selbstunternehmer, Arbeitgeber und -nehmer in Personalunion ist. Schwer, sich da immer wieder zur Sisyphosarbeit der Zerstörung zu motivieren. Der „Mode- oder Volkskrankheit“ Burnout hat sich die junge Regisseurin und Videokünstlerin Luise Voigt in ihrer Performance „Ausbrennen. Songs von der Selbstverwertung oder Melodien für den Feierabend“ angenommen.

Plötzlich ist der ausgebrannte Gorilla verschwunden, fünf Menschen sitzen im Halbkreis an Schreibtischen vor Computern und Mikrofonen und umkreisen mit einer einstündigen Performance zwischen Live-Hörspiel, Konzert und Klangcollage die permanente Überforderung, unterbrochen von allzu durchsichtigen Vorschlägen, die Durchdringung der Gesellschaft mit Unternehmergeist, Selbstverwirklichungszwang und Kreativitätsdiktat zu durchbrechen: Verwertbares Tun bestrafen? Sich all die Entscheidungen von Smartphone-Apps abnehmen lassen?

Es war schließlich nicht immer so. Chronische Stressoren, so etwas gab es in der Steinzeit nicht, erfährt man da: Gerade mal vier Stunden am Tag für Jagd, Nahrungsaufnahme und Bedürfnisbefriedung mussten unsere Vorfahren aufbringen. Dazwischen: Riten, Gemeinschaft, Nichtstun. Müßiggang nicht nur als aller Laster Anfang, sondern als Bedingung für all das, was nun die sich längst selbst in Brand stecken müssenden Arbeiter verglühen lässt. Aber wie klingt ein neues Arbeiterlied für ausgebrannte Einzelkämpferinnen?

Zu sehen ist Voigts Performance morgen Abend im Rahmen des Nachwuchs-Theater-, Performance- und Live-Art-Festivals „Freischwimmer“, das derzeit mit insgesamt sieben Produktionen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz zieht und bis zum nächsten Samstag auf Kampnagel gastiert.

Seit 2004 bietet das von den Berliner Sophiensaelen, dem FFT Düsseldorf, dem Frankfurter Mousonturm, dem brut Wien, der Gessneralle Zürich und Kampnagel gemeinsam organisierte Festival jungen Performance- und Theaterprojekten eine Plattform, ihre neuen Produktionen einem größeren Publikum zu präsentieren.

Der Themenschwerpunkt dieses Jahr: „Verwerte Dich!“ Nicht immer aber ist da wie im Fall von „Ausbrennen“ zu erkennen, worin der Bezug besteht. Da werkeln Gorilla, Mensch und ein merkwürdiges Zukunftswesen an der Sprache der Zukunft, suchen Schwarzgewandete in weißem Raum, wie man in der Zuviel-Gesellschaft noch Entscheidungen treffen kann, werden Sozialunternehmer mit Theaterleuten zusammengebracht, um neue Investment-Ideen unter die Leute zu bringen, – und Einbauküchen untersucht.

■ Fr, 7. 2. bis Sa, 16. 2., Kampnagel, Jarrestraße 20; Programm und Infos: www.freischwimmer-festival.com