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Archiv-Artikel

„Mich interessiert das Erleben der Dauer“

TRENNUNG In „I Used to Be Darker“ (Forum) erzählt der US-amerikanische Regisseur Matt Porterfield vom Ende einer Ehe. Im Interview spricht er über seine Figuren, über Segregation in Baltimore und Nordirland sowie die enorme Bedeutung von Musik für seine Filme

Matt Porterfield

Porterfield, 35, wuchs in Baltimore, Maryland auf und zog mit 17 Jahren nach New York, um an der Tisch School of the Arts Film zu studieren. Mit „Hamilton“ landete der Regisseur 2006 einen ersten Erfolg; 2010 folgte „Putty Hill“. Auf der diesjährigen Berlinale ist Porterfield mit „I Used to Be Darker“ im Forum vertreten. Darin geht es in sehr offener Form um ein Paar, das sich trennt und just in diesem ungünstigen Moment Besuch von der etwa 19 Jahre alten Nichte bekommt.

INTERVIEW CRISTINA NORD

taz: Herr Porterfield, Ihre beiden vorangegangenen Filme, „Hamilton“ und „Putty Hill“, waren nach Vierteln von Baltimore benannt. Dieser ist es nicht. Was ist passiert?

Matt Porterfield: Auch wenn „I Used to Be Darker“ in Baltimore spielt, ist er weniger auf den spezifischen Ort zugeschnitten als die beiden anderen Filme. Der Satz stammt von dem Singer-Songwriter Bill Callahan, aus dem Lied „Jim Cain“. Der Text geht so: „I used to be darker, then I got lighter, then I got dark again.“ Das bedeutete mir viel, zumal ich selbst eine Scheidung durchgemacht habe. Es scheint etwas auszudrücken, was schwer zu beschreiben ist, ein Gefühl, wie wir uns in der Welt verorten. Es geht vorüber, aber es kann zurückkehren.

Wer sich trennt, befindet sich ja in einer Situation des Übergangs. Dinge ändern sich, aber man weiß noch nicht so recht, wie man damit klarkommt.

Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich über Figuren schreibe, die in einer solchen Situation sind. Sie versuchen, dem Neuen einen Sinn abzugewinnen, aber sie sind noch nicht in der Lage, ihren Willen zu erkennen, geschweige denn durchzusetzen. Geschichten sind viel zu oft um den Willen der Figur herumstrukturiert. In „I Used to Be Darker“ dagegen wissen die Figuren nicht so recht, was sie tun.

Und sie sind einer enormen Menge von Gefühlen ausgesetzt. Wie gehen Sie als Filmemacher mit dieser Intensität um?

Meine Filme sind Familiendramen, die Figuren müssen sich mit großen Themen auseinandersetzen. In „Putty Hill“ etwa geht es um Tod und Verlust, in „I Used to Be Darker“ um das Ende einer Ehe, um eine Familie, die auseinanderbricht. Ich bin oft enttäuscht davon, wie damit im Kino umgegangen wird. Die Erzählkonvention schreibt einen Zugang vor, der über die Konflikttheorie verläuft. Damit kann ich nichts anfangen.

Sie verlassen sich lieber auf Musik, nicht wahr?

Ja, ich denke über meine Filme gern als Melodramen im klassischen Sinne: Musik und große Gefühle werden verbunden. Die Figuren von Bill (Ned Oldham) und Kim (Kim Taylor) erhalten über die Musik die Möglichkeit, auszudrücken, was sie sich gegenseitig nicht sagen können. Und die Texte der Songs haben ein Echo in der Erzählung.

In einer Szene sitzt Bill im Keller, spielt Gitarre und singt. Die Kamera bewegt sich kaum, Sie schneiden lange nicht. Warum ist es wichtig, zu warten, bis der Song vorbei ist?

Wir wollten, dass Ned Oldham und Kim Taylor die Songs jeweils ganz singen, denn wir mögen sie sehr. Während der Postproduktion hatten wir dann andere Überlegungen: Etwa mit Bill zu beginnen, dann den Raum zu verlassen und durchs Haus zu streifen. Aber mich interessiert, wie die Zuschauer die Dauer erleben, denn sie erinnert einen daran, dass man eine Film guckt. Und was noch wichtiger war: Die Lieder sprechen Bände über die Figuren, und das sollte man respektieren. Etwa so wie in John Cassavetes’ „Opening Night“, da werden die Performances auch in voller Länge ausgespielt.

In „Putty Hill“ spielen Pools, Bäche und Wasserläufe eine wichtige Rolle, in „I Used to Be Darker“ etwas weniger. Aber es gibt diese Szene, in der eine Figur einen Monolog aus „Hamlet“ rezitiert. Hamlet überbringt Laertes die schlechte Nachricht von Ophelias „schlammigem Tod“, ihrem Ertrinken. Versteckt fließt also doch ein Bach durch „I Used to Be Darker“?

Ja, genau! Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.

Und warum Shakespeare?

Es fühlte sich richtig an. Ich hatte ursprünglich einen Monolog geschrieben, der auf August Strindbergs „Traumnovelle“ zurückging. Über eine engelsgleiche Figur, die auf der Erde gelandet ist, um dem Vater im Himmel Bericht zu erstatten von den Irrungen und Wirrungen der Menschen. Den Monolog aus „Hamlet“ verdanke ich Amy Belk, mit der ich das Drehbuch geschrieben habe. Sie sagte: „Lass uns mal lieber diesen Text anschauen, der passt besser.“

Taryn, die Nichte von Bill und Kim, kommt aus Nordirland. Was reizt sie an der Figur der Fremden?

Als erzählerischer Kniff ist es interessant, einem Publikum eine ihm fremde Welt zu vermitteln, indem man eine Figur einführt, die selbst fremd ist. Außerdem mag ich es, Figuren über ihre Abwesenheit einzuführen. In „I Used to Be Darker“ sind wir in dem Zimmer von Abby, bevor sie überhaupt auftritt. Taryn ist dort, schaut sich Sachen an, liest im Tagebuch. Eigentlich war es mir aber zunächst gleichgültig, ob Taryn aus Nordirland, England oder einem anderen europäischen Land kommt. Aber es gibt da noch etwas, was mit der Geschichte Nordirlands zu tun hat, etwas, was auf Baltimore ausstrahlt, auch wenn es im Film nicht offen verhandelt wird. Es gibt Berührungspunkte.

Was meinen Sie damit?

Es sticht nicht ins Auge. Aber wir haben hier auch eine Geschichte der Segregation – nicht entlang einer religiösen Konfliktlinie, aber im Hinblick auf Hautfarbe und Klassenzugehörigkeit. Wir leben in einer geteilten Stadt. Öffentlich wird das kaum zur Sprache gebracht, das ist in Nordirland sicher anders.

Ihr Film überlässt vieles der Imagination des Zuschauers. Wie finden Sie die Balance zwischen den Andeutungen und den Informationen, die es dann doch braucht, damit man den Zuschauer nicht verliert?

Das Risiko gehen wir ein, manche Zuschauer wollen sicher mehr erfahren. Aber ich habe eine Art Richtlinie: So viel wie irgend möglich soll über die Bilder und über die Montage erzählt werden.

■ Heute, CineStar, 13.30 Uhr; 10. 2., Cubix, 22.45 Uhr; 13. 3., fsk, 18.30 Uhr; 17. 2., CineStar, 21.30 Uhr