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Archiv-Artikel

brutales briefpapier bringt mädchen auf die schiefe bahn von RALF SOTSCHECK

Die Polizistin ist zunächst überrascht, als sie von fünf Mädchen in Stöckelschuhen und Miniröcken zu Boden gerungen wird, nachdem sie ihnen in der Dubliner Innenstadt eine Plastiktüte voller Wodka- und Bierflaschen wegnehmen wollte. Die Mädels sind höchstens 15, aber die Polizistin macht sich lieber aus dem Staub. In Kerry im Südwesten Irlands überfallen zwölf Mädchen einen 18-Jährigen und vermöbeln ihn. „Happy slapping“, fröhliches Verhauen, nennt man das neue irische Freizeitvergnügen, bei dem die Opfer nicht beraubt oder ernstlich verletzt, sondern gedemütigt werden: Die Mädels stellen die Fotos von dem Zwischenfall danach ins Internet.

Und in Monaghan an der nordirischen Grenze reißen drei 17-Jährige einer Frau die Mütze vom Kopf und zünden ihre Haare an. Der Begleiter der Frau kann die Haare in letzter Sekunde mit einer Flasche Cola löschen. Die Zwischenfälle zeigen, sagte der Richter, der die drei Mädels zu Bewährungsstrafen verurteilte, dass „Banden junger Frauen sich zunehmend wie verrückte Hunde gebärden“.

Es liegt am falschen Briefpapier. Die irische Lehrergewerkschaft und der nationale Elternrat haben dazu aufgerufen, „gewalttätiges Briefpapier“ der Firma David and Goliath aus Florida zu boykottieren. Gewalttätiges Briefpapier? Man hört ja allenthalben davon, dass kriminelle Schmierzettel, in Komplizenschaft mit Killer-Radiergummis und kaltblütigen Bleistiftanspitzern, ahnungslose Schreibwarengeschäfte verwüsten.

Was Lehrer und Eltern monieren, ist eine Palette von Schreibutensilien, auf denen Goldfische im Küchenmixer zu sehen sind, oder Mädchen, die Jungs mit Steinen bewerfen. Als „völlig inakzeptabel“ bezeichnen die Hüter der political correctness den Comicstrip auf einem Plastikordner: Im ersten Bild ist ein kleines Haus abgebildet mit der Unterzeile: „Wo ich wohne“. Das zweite Bild zeigt ein großes Haus mit dem Text: „Wo meine snobistischen Nachbarn wohnen“. Im letzten Bild brennt das große Haus, der Kommentar lautet: „Ich mag keine Snobs.“

Der Generalsekretär der Lehrergewerkschaft, John Carr, sagte: „Schulen wollen gegenseitigen Respekt, Gewaltlosigkeit und Toleranz fördern. Diese Schreibutensilien untergraben alles, was Schulen vermitteln wollen.“ Er fügte hinzu, dass man es nicht hinnehmen werde, wenn die Mädels solche Dinge in die Schule mitbringen. Eine Gewerkschaftssprecherin fügte allerdings hinzu, dass es schwierig sei, den Briefpapiergeschmack der Schülerinnen zu überwachen.

Auch die Firma David and Goliath äußerte sich in einer Presseerklärung: „Es ist doch ziemlich cool, dass viele unserer Designs Sprüche zeigen, die sich kaum einer öffentlich zu sagen traut, weil sie zu krass sind. Ist es denn falsch, wenn man nicht alles ständig furchtbar ernst nimmt?“

Und was ist mit den Mädels, die unweigerlich mit einem Kanister Benzin bewaffnet zum Nachbarhaus laufen und es anzünden, nachdem sie ihre Hausaufgaben in dem brutalen Plastikordner abgeheftet haben? Besorgte Eltern sollten ihren Mädels handgeschöpftes Büttenpapier, die Aristokraten unter den Briefpapieren, zu Weihnachten schenken, um sie wieder auf den rechten Weg zu führen.