PETER UNFRIED DIE EINE FRAGE : Aber Merkel wählen …
Sind Sie traurig, dass Heino Ihren Song „Willy“ nicht gecovert hat, Konstantin Wecker?
Der deutsche Sänger Heino hat es im Alter von 73 zum ersten Mal auf Platz 1 der Albumcharts geschafft, indem er Songs coverte, die man ihm angeblich nicht zugetraut hatte. Es ist aber nur „Haus am See“ und so braves Zeug. Die wahre Prüfung hat er ausgelassen: „Willy“ von Konstantin Wecker. „Gestern habns an Willy daschlogn, / und heit, und heit, und heit werd a begrobn.“
Wecker, 65, war in den bewegten Jahren das Gegenteil von Heino. Links, system- und staatskritisch, also auf der richtigen Seite. Sieht man mal von seinem Hedonismus ab. Ich erreiche ihn mobil, er ist auf Tour mit seinem Programm „Wut und Zärtlichkeit“. Sonntag ist er in Potsdam, am 26. Februar in Berlin.
„Sind Sie traurig, dass Heino ihren ‚Willy‘ nicht gecovert hat, Herr Wecker?“ Also, bitte. Erstens hört er keinen Heino. Und zweitens ist er nicht traurig wegen Heino. Da gibt es anderes, was einen traurig machen kann.
„Nein“, sagt er. „Heino kann vieles covern, aber beim ‚Willy‘ hätte er große Probleme, also sprachlich gesehen.“ Weil er entweder bayerisch singen müsste oder den Text ins Hochdeutsche übertragen. „Heino soll ‚Sage nein‘ covern“, sagt er dann. Ein anderer Song von ihm gegen Rechtsradikalismus. „Am besten soll Heino gleich eine ganze Platte mit antifaschistischen Songs aufnehmen.“ Jetzt kommt er langsam in Fahrt.
Schlimm fand er Heino nie, „allenfalls sein Publikum“, und abarbeiten musste er sich auch nicht an ihm. Auch damals nicht, als der mit „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ für Teile der Gesellschaft ein Nationaler und Revanchist war. „Es gibt künstlerische Dinge, die gut sind, und andere, die mich nicht interessieren“, sagt er. Zu letzterer Kategorie gehöre Schlager und Heino. Wenn ihn etwas interessiert, dann, wie Heino es geschafft hat, sein Cover-Album „mit Hilfe der Bild-Zeitung so hochzuziehen“. Wie Medien Politik machen, das ist gerade sein Ding. „Hinter den Schlagzeilen“ heißt sein Blog.
Die aktuellen Empörungen über Schavan, Brüderle, Mohrenköpfle und so weiter? „Was ist denn das für eine Empörung“, seufzt er. „Man empört sich und wählt Merkel?“ Wieso – muss Merkel etwa weg? „Ja, Merkel muss weg.“ Er hat auf seinem letzten Album ein ironisches Liebeslied namens „Die Kanzlerin“ geschrieben, aber nun wird er ernst und geißelt sie als „radikal neoliberal“. Dann soll also Steinbrück Kanzler werden? „Äääh.“ Jetzt lacht er. „Das ist gemein.“ Peer Steinbrück sei einfach der falsche SPD-Kandidat, „Skandal“ will er dessen Nebengeschäfte nicht nennen, aber für ihn ist er wegen „deutlicher Verstrickung in Privatwirtschaft und Lobbyismus“ nicht wählbar. Grundsätzlich sieht er es skeptisch, dass die Deutschen von einem Personen-Skandal zum nächsten hecheln. Wecker findet jede Form von übermäßiger Korrektheit „zum Kotzen“. Dahinter steckten immer die eigenen Abgründe. Überhaupt beschäftige man sich nur so exzessiv mit Verfehlungen Einzelner, um das System nicht in Frage stellen zu müssen.
„Ich würde mich viel lieber in der gleichen Intensität darüber unterhalten, wohin Deutschland seine Waffen verkauft, statt über Brüderle“, sagt er. Er sieht den Kapitalismus am Ende. Den Sozialismus nicht mehr als logischen Ersatz. Und die Gesellschaft gelähmt, weil sie sich an den Status quo klammert. Und dann tritt auch noch der Papst zurück. Schlimm? „Nein“, sagt Konstantin Wecker. „Aber ich frage mich, was wir machen, wenn Gott zurücktritt.“
■ Der Autor ist taz-Chefreporter Foto: Wolfgang Borrs