: Eine kurze Liebe
IMAGE Hoffnungen, dass das Interesse an der Ukraine durch die Fußball-EM gewachsen ist, haben sich nicht erfüllt. Zumindest ist das Land kein dunkler Fleck mehr
VON OLGA CHYTAILO
BERLIN taz | Nach der Fußball-Europameisterschaft 2012 machte in der Ukraine eine Anekdote die Runde: Die Beamten haben am Bau der Stadien verdient und die Journalisten daran, dass sie darüber geschrieben haben. Dahinter steckte die Hoffnung, dass doch nicht zu viel Geld in den Sand gesetzt worden sei und sich das Image des Landes verändert habe. Schaut die Welt nun mit anderen Augen auf die Ukraine? Hat die Europameisterschaft das Land näher an Europa herangerückt?
Unzählige ausländische Fußballfans haben ihre Meinung in Mikrofone gesprochen und in Schreibblocks diktiert. Die meisten waren zufrieden. „Ich liebe die Ukraine, die ukrainischen Frauen“, war eine typische Antwort auf die Frage, wie den Fans das Land gefalle. Es gab keine Zwischenfälle. Die Regierung war froh – die Opposition besorgt. Ihre Angst: Die Gäste bekämen ein schönes Land mit netter Polizei zu sehen. Sollten später andere Nachrichten auftauchen, würde niemand diese glauben.
Im Tourismusgeschäft zweifelt heute jeder zweite Manager am positiven Effekt der Meisterschaften. Laut einer Umfrage der Deutschen Welle habe die Euro 2012 dem Image der Ukraine geschadet, weil sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu sehr auf die Probleme des Landes gelenkt habe. Nur ein Drittel gab an, dass das Land zwischen Karpaten und Schwarzem Meer ein einladender Urlaubsort sei. Das bestätigen die Reisenden selbst: „Die im Land waren, haben ihre Einstellung geändert. Doch das wird sich kaum auf das Reiseverhalten der Deutschen insgesamt auswirken. Es gibt genug Länder, in denen man sich bequemer erholen kann“, sagt Marcel Blessing-Schumilin, Projektmanager beim Deutsch-Russischen Forum.
Die Ukrainer denken, dass die Europameisterschaft vor allem der Regierung zugute gekommen sei. Laut einer Umfrage des Kiewer Instituts Gorschena glauben 75 Prozent an eine Imageverbesserung. Auch der Presseattaché der Ukrainischen Botschaft in Berlin, Dmitri Schewtschenko. „Das Bild von der Ukraine hat sich durch die Berichterstattung der deutschen Medien verbessert. Viele haben sich der Ukraine geöffnet.“ Allein nach Lemberg waren 11.000 deutsche Fans gekommen. Lokale Unternehmen haben davon kaum profitiert. Der Umsatz lag bei 14 Millionen Euro – 15-mal weniger als das neue Arena-Stadion gekostet hat.
Die Touristen waren meistens auf der Straße, nicht in den Restaurants“, sagt die Sprecherin der Restaurantholding Fest, Kristina Tusjak. Doch die Leiterin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit in Lemberg, Galina Maletz, ist überzeugt: „Nicht das Image des Landes hat sich verbessert, sondern das konkreter Städte. Jetzt haben die Touristen keine Angst mehr, zu uns zu reisen.“
Die deutschen Medien sind schnell zu ihrer üblichen Berichterstattung zurückgekehrt. „Kaum war die Euro vorbei, haben sie aufgehört zu schreiben“, sagt Olga Samborskay, Chefredakteurin des Internetportals Imigrada, die seit 2003 in Berlin lebt. „Ich hatte gehofft, es würde fortan mehr Interesse an der Ukraine geben. Nichts dergleichen. Sogar die letzten Wahlen haben hier nur wenig Aufmerksamkeit erregt.“
Auf der anderen Seite ist das Interesse derjenigen, die selbst in der Ukraine waren, gewachsen. Der Sportredakteur der taz, Andreas Rüttenauer, hat vier Wochen aus der Ukraine berichtet. Er ist sicher: „Die Meisterschaft hat den Europäern die Ukraine geöffnet, die bis dahin ein dunkler Fleck war.“ In der EU wird immer betont, wohin die Ukraine gehe, hänge allein von ihr ab. Leider entsprechen die Entscheidungen der Regierung in Kiew nicht immer dem Willen des Volkes. Dennoch: Die Hoffnung bleibt, dass die Meisterschaft eine Tablette mit Langzeitwirkung ist, die den Bazillus der Angst und der Vorurteile gegenüber der Ukraine tötet, und umgekehrt.