: Die Skandale des Fleisch-Oligopols
Der Fleischmarkt steckt in einer Abwärtsschraube – sinkende Preise führen zu Qualitätsproblemen und Konzentration auf wenige Großunternehmen. Damit die den Druck der Verbraucher spüren, fordert die Grüne Bärbel Höhn ein Informationsgesetz
VON HANNA GERSMANN
Altes Hack wird frisch etikettiert, Gammelfleisch zu Bratwurst verarbeitet, Fleisch mit Wasser aufgespritzt – die kriminellen Machenschaften in der Fleischbranche haben Methode. Ein Grund: Fleisch verkommt zum Ramschprodukt. Je weniger der Verbraucher zahlt, umso größer ist aber offenbar der Anreiz, zu tricksen.
Ein Kilo Schweinenacken kostete bei Real gestern zum Beispiel 1,99 Euro. Bei solchen Preisen bleibt für Schlachthöfe kaum ein Gewinn. Zumal die Metzger, so sagt Wolfgang Branscheid vom Institut für Fleischerzeugung und Vermarktung in Kulmbach, heute auch nicht mehr am „fünften Viertel“ verdienen. Metzger verstehen darunter Innereien wie Niere, Leber oder Zwerchfell. Letzteres ist in Frankreich als Delikatesse bekannt. Die meisten deutschen Verbraucher aber verschmähen diese Spezialitäten. Den Schlachtern fehlt Geld.
Seit der BSE-Krise wandert zudem mehr vom Vieh in die Tierkörperbeseitigungsanlagen – wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Die Entsorgung kostet. Inzwischen wird der Preiskampf noch härter. Aldi, Lidl und Penny verkaufen mittlerweile rund 40 Prozent allen Fleisches. Die Discounter drücken die Preise. Mithalten können nur die Großen.
So konzentriert sich die Branche: Der Niederländische Vion-Konzern, der einst Best-Meat hieß, hat die großen deutschen Schlachtbetriebe längst übernommen. Zu ihm gehören Südfleisch, Nordfleisch und Moksel. Die großen Firmen transportieren riesige Mengen an Fleisch über tausende von Kilometern. Zum Beispiel Geflügel: Deutschland deckt nur 70 Prozent des Bedarfs selbst. Der Rest kommt aus dem Ausland, zumeist aus Asien. Rindfleisch wird vor allem aus Argentinien, Brasilien und Uruguay importiert.
So werde „die Lebensmittelkette anonym“, sagt die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Es gebe keinen Kontakt mehr zwischen Bauern, Händlern und Metzgern. Kriminelle könnten sich deshalb „leicht zwischenschalten“. Der Beleg: Erst Ende letzter Woche flog ein Großhändler in Gelsenkirchen auf, der verdorbenes Fleisch in großem Stil verschoben haben soll. Er hatte nur ein Einzimmerbüro.
„Name and shame“, so glaubt Höhn, schafft Abhilfe. Wenn Behörden die Namen der erwischten Lieferanten und Abnehmer nennen, müssten diese einen Imageschaden fürchten, der die Betriebe härter träfe als die heutigen Strafen von 1.000 bis 5.000 Euro. Außerdem steige der Druck in der Branche, sich von schwarzen Schafen zu trennen. Bisher erfährt der Bürger nicht, wer hinter den unappetitlichen Machenschaften steckt. Die kriminellen Betriebe können nicht genannt werden, weil in Deutschland ein Verbraucherinformationsgesetz fehlt. Es scheiterte bisher am Widerstand der Union. Die Konservativen befürchten Schadenersatzforderungen, falls einmal zu Unrecht gewarnt wird. Bleibt ein schwacher Trost: Die letzten Fleischskandale, so sind sich Experten einig, sind widerwärtig, machen aber nicht krank.