: Historiker zu Geldstrafe verurteilt
Wegen Hausfriedensbruch und Störung einer Versammlung verurteilt das Landgericht Wuppertal drei Personen. Sie hatten für die Umbenennung des nach einem Nazi-Helfer getauften Von der Heydt-Museums in Wuppertal protestiert
WUPPERTAL taz ■ Die kleine Protestaktion ist nur von kurzer Dauer. „Weg mit Von der Heydt-Museum“ tönt es, als eine Gruppe Antifaschisten die Tagung in dem Wuppertaler Museum stört. Ein paar Flugblätter gegen den Namensgeber Eduard von der Heydt – einen Nazi-Hehler und Kunstmäzen – werden verteilt, jemand hält eine Rede, dann kommt die Polizei, die Gruppe flüchtet. Das war im Jahr 2002.
Drei Jahre später beschäftigt der Vorfall noch immer die Gerichte. Gestern verurteilte die 7. Kleine Strafkammer des Landgerichts Wuppertal in zweiter Instanz den Historiker Stephan Stracke und zwei Mitangeklagte zu Geldstrafen zwischen 400 und 1.400 Euro. Das Landgericht Wuppertal sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten sich des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht und die Versammlung gestört hätten. Die Strafen waren teilweise höher als im ersten Verfahren, aber unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die zwischen 1.200 und 2.700 Euro beantragt hatte. Die Verurteilten überlegen nun, ob sie in Berufung gehen.
Vergeblich hatte Stracke in dem Verfahren, das sich über drei Verhandlungstage hinzog, versucht, die Protestaktion politisch zu begründen. Für die Nazi-Wehrmacht zu arbeiten, sei „kein Kavaliersdelikt“, das Museum gehöre umbenannt. Richter Ulrich Krege ließ sich darauf nicht ein. „Wie das Verhältnis von der Heydts zum Nationalsozialismus war, um diese Frage geht es hier nicht“, stellte er schon zu Prozessbeginn klar. „Wir Juristen können das nicht leisten und wollen das auch nicht. Wir sind keine Historiker.“ Selbst wenn das Anliegen der Demonstranten gerechtfertigt wäre, müssten auch sie sich an die „demokratischen Spielregeln“ halten, mahnte er in der Urteilsverkündung.
Krege folgte damit der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Detlef Hartmann argumentierte dagegen, dass gar keine Versammlung im eigentlichen Sinne stattgefunden habe. Von „Sprengen“ könne zudem keine Rede sein, da die Veranstaltung ja weiter gegangen sei. Hausfriedensbruch liege auch nicht vor, schließlich habe der Dortmunder Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer den Protestierern das Wort erteilt und damit vorübergehend die Anwesenheit gestattet.
„Ich habe den Leuten Gelegenheit gegeben, etwas zu sagen“, bestätigte Langemeyer, der damals gerade im Museum einen Vortrag hielt, als Zeuge vor Gericht. „Ich reagiere auf solche Ereignisse ‚professionell‘.“ Doch seine Aussage nützte den Angeklagten nichts. Auch nicht, dass Museumsdirektorin Sabine Fehlemann zu Protokoll gab, sie habe es begrüßt, wie Langemeyer die Situation managte. „Ich fand das sogar eine gute Lösung.“
Stephan Stracke warf der Wuppertaler Justiz vor, antifaschistische Arbeit zu kriminalisieren. Tatsächlich ist das Verfahren um das Von der Heydt-Museum nicht sein einziges: Weil er am 27. Januar diesen Jahres, am Holocaust-Gedenktag, vor dem Wuppertaler Hauptbahnhof eine Rede zur Deportation jüdischer Kinder hielt, ist gegen den Historiker erst kürzlich ein Strafbefehl erlassen worden. Begründung: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
Den Vorwurf der Kriminalisierung ließ Richter Ulrich Krege indes nicht auf der Justiz sitzen. „Wenn jemand rechtswidrige Taten begeht, kriminalisiert er sich selbst“, hielt er den Angeklagten vor. Zugleich machte er aber auch deutlich, dass man das Verfahren seiner Ansicht nach schon in erster Instanz hätte anders beenden können als mit einer Verurteilung. „Eine Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft“, die sich von Anfang an einer Einstellung des Verfahrens widersetzt habe, kommentierte Rechtsanwalt Detlef Hartmann nach der Urteilsverkündung gegenüber der taz. DIRK ECKERT