KOMMENTAR VON CHRISTIAN JAKOB ÜBER DEN KAMPF GEGEN ARMUTSZUWANDERER : Keine Europäer zweiter Klasse
Die EU wurde dafür gemacht, dass ihre Bürger sich frei darin bewegen können. Und zwar alle. Wenn Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zum Kampf gegen „Armutszuwanderer“ aus Rumänien und Bulgarien bläst, dann heißt das: Er will eine Zwei-Klassen-EU: eine für die Armen, die die „Freizügigkeit missbrauchen“, und eine für die Reichen.
Rumänen und Bulgaren mit Ausbildung kommen hierher, um zu arbeiten. Schon seit Jahren. Das ist ihr gutes Recht, es ist Teil der europäischen Idee, gar nicht zu reden davon, dass es der Wirtschaft nützt. Viele finden Jobs, sie zahlen in die deutschen Sozialkassen ein, manche bleiben. Hierzu waren von der Union auch noch nie die jetzt so lauten Klagen über „Einwanderung in die Sozialsysteme“ zu hören.
Aber es finden eben nicht alle Arbeit. Das soll auch anderen Leuten passieren. Dass die Roma dies mit Absicht tun und mit dem festen Vorsatz hierherkommen, um Sozialhilfe einzustreichen, ist eine bösartige Unterstellung.
Die kommt nicht von ungefähr: Es ist eine urdeutsche Befindlichkeit, den eigenen Wohlstand in ständiger Gefahr zu sehen. Es ist das konservative Programm, mit dieser Angst Politik zu machen. Und das funktioniert immer dann am besten, wenn es jemanden gibt, auf den diese Angst projiziert werden kann. Mal sind es die Griechen, mal die Asylbewerber, aber niemand taugt dazu so gut wie Sinti und Roma. Wohl keine andere Gruppe ist derart mit negativen Assoziationen belegt wie sie, und die Union tut gerade alles dafür, dass das auch so bleibt.
In Ost- und Südeuropa führt die staatlich befeuerte Roma-Feindschaft regelmäßig zu Pogromen und Gewaltausbrüchen. Deutsche Politiker geißeln dies dann immer gern, verbunden mit der Aufforderung, solche Auswüchse in Zukunft zu verhindern, auf dass die „Zigeuner“ da bleiben, wo sie sind.
Ja, sie kommen hierher, weil sie arm sind, ja, das kostet teilweise Geld, und ja, manchmal macht es Probleme. Aber das muss Deutschland aushalten. Dazu ist es weiß Gott reich genug, und es ist Teil seines europäischen Versprechens. Das darf nicht wieder relativiert werden, wenn ein CSU-Innenminister dies gerade für opportun hält. Es ist auch eine Verpflichtung aus der deutschen Geschichte: Ein Land, das erst vor wenigen Jahrzehnten versucht hat, die Sinti und Roma auszurotten, sollte froh sein, dass sie überhaupt wieder hierherkommen wollen.