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Archiv-Artikel

Der Film als klein geschnittenes Gemüse

Kochkurs mit der European Film Academy: In der Arena in Treptow wurde der Europäische Filmpreis 2005 verliehen. Die Häufung von allein fünf Preisen auf einen Film – Michael Hanekes „Caché“ – sowie die offizielle Amtssprache Englisch machen das Ereignis aber noch lange nicht zu einer Oscar-Nacht

VON BARBARA SCHWEIZERHOF

Kurz kamen Zweifel auf: Während sich die Arena in Treptow langsam mit Gästen füllte, zeigte die Leinwand Heino Ferch in Kochschürze beim Verstreichen von Tomatensoße auf Pizzateig, um ihn herum weitere Prominente bei ähnlichen Tätigkeiten. Dass Dieter Kosslick auf die Bühne trat, beruhigte. Nein, man war nicht versehentlich in einer Promi-Kochsendung gelandet. Aufgrund knapper Kassen, so Kosslick, mussten die Akademiemitglieder dieses Jahr selbst kochen. Witze übers Sparen gehören heutzutage zur Standarderöffnung.

Das Thema hatte sich damit aber noch nicht erschöpft: Kochen bildete das Leitmotiv der Preisverleihung. So wurde die europäische Filmvielfalt mit der der spanischen Tapas verglichen, der Preis für den besten Filmschnitt mit Bemerkungen übers Gemüseschneiden eingeleitet und der Begriff „Production Design“ durch Hinweise auf Speisedekoration erhellt. Sagen wir so: In der Häufung verloren die Analogisierungen etwas ihren Reiz.

Tatsächlich wünscht sich die europäische Filmakademie wohl, das europäische Kino könne es dem Beispiel der italienischen Pizza nachmachen: als nationale Spezialität die internationalen Märkte erobern. Die Akademie wurde 1989 gegründet mit dem Ziel, dem seltsamen Phänomen entgegenzuwirken, dass das amerikanische Kino überall in Europa ankommt, die einzelnen europäischen Filme aber an den Vorlieben und Abneigungen der jeweiligen Nachbarn scheitern: In Spanien interessiert man sich nicht für ungarische Filme, in Deutschland immer weniger für das französische Kino.

Die Preisverleihung macht die Schwierigkeiten des Unterfangens eher bewusst, als sie aufzulösen: So konkurrieren hier Filme, die in ihren Heimatländern längst „durch“ sind, in anderen Ländern aber noch starten. Dem normalen Publikum ist ein „Mitfiebern“ wie bei den Oscars dadurch kaum möglich. Dass es dieses Jahr darüber hinaus ausgesprochen steif und unlustig zuging, lag wahrscheinlich daran, dass alle Englisch reden mussten.

Letztes Jahr in Barcelona war im fröhlichen europäischen Sprachenwirrwarr so manche Übersetzung untergegangen, nun zeigte sich, dass die Verpflichtung auf eine Amtssprache keine Lösung ist. Dass manche schlechtes Englisch sprechen, war weniger das Problem als vielmehr der Umstand, dass viele Hemmungen haben, das zu zeigen. So las Sandrine Bonnaire beeindruckend ängstlich ihre Kochwitze vom Blatt ab. Sean Connery, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, hatte da vergleichbar leichtes Spiel, weshalb seine Anekdoten aus der Produktion von „Im Namen der Rose“ auch den emotionalen Höhepunkt der Show bildeten.

Als großer Gewinner des Abends aber sollte sich Michael Haneke herausstellen. Mit typisch europäischer Siegerarroganz nahm er zu Beginn den Preis für die beste Regie entgegen: Er erhalte so viele Auszeichnungen, dass er sich doch nicht jedes Mal vorher eine Dankesrede überlegen könne, bekannte er betont relaxt einfach in Deutsch. Wenig später stand er für den Fipresci-Preis wieder auf der Bühne. Zwischendurch gingen mit dem besten Schauspieler und dem besten Cutter noch zwei weitere der Hauptpreise an seinen „Caché“, doch erst als er zur Krönung des Abends ein drittes Mal auf der Bühne stand, um auch noch die Statuette für den besten Film entgegenzunehmen, zeigte er ein wenig demütige, echte Rührung: Damit habe er wirklich nicht gerechnet.

So verdient die Auszeichnungen für „Caché“ auch sind, die Akademie konterkariert mit solchen Preishäufungen ihre Absicht, die Vielfalt des europäischen Films zu promoten. Zu viele wunderbare Filme gingen auf diese Weise leer aus. Nur ein paar von ihnen werden ins Rennen um den Oscar gehen. „Caché“ übrigens nicht – er wurde von Österreich nicht nominiert mit der Begründung, der Film sei rein französischsprachig!