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Archiv-Artikel

Nacktjubelnde Konstante

Sein Bedürfnis, sich nackig zu machen und trotz frostiger Temperaturen mit freiem Oberkörper zu jubeln, war verständlich. „Für Glück musst du viel tun“, sagt Konstantin Rausch, der in der Bundesliga eher selten als Torschütze in Erscheinung tritt. Der 23-Jährige hat sich im Trikot von Hannover 96 einen Namen gemacht, weil er in der Rolle des linken Mittelfeldspielers durch Rennen und Ackern besticht. Das wurde am Samstag mit zwei Toren zum glücklichen 2:0-Erfolg beim FC Augsburg belohnt. Es sind Treffer, die als Empfehlungsschreiben für den weiteren Karriereweg zu verstehen sind.

Bei Hannover 96 nennen sie den Mann mit dem kräftigen Linksschuss liebevoll „Kocka“. Das klingt arg verniedlichend, hat aber gute Gründe. Der kleine Konstantin mit den russischen Wurzeln kam schon als B-Juniorenspieler zu 96. Oft ist er für seine spieltaktischen Mängel und so manche Flanke hinter das Tor belächelt worden. Aber aus dem kleinen Konstantin ist eben auch eine Konstante geworden, die dabei geholfen hat, aus Hannover 96 eine feine Adresse des bezahlten Sports zu machen.

Über ein Eigengewächs wie Rausch müsste man sich eigentlich täglich freuen und bloß nicht vergessen, welch steiler Karriereweg schon hinter ihm liegt. Das Dumme ist: Den Verantwortlichen in Hannover schwebt eine Mischung aus Umbruch und Weiterentwicklung vor, um dauerhaft eine Chance auf das europäische Geschäft zu haben. Zuletzt hatte Rausch seinen Stammplatz verloren, weil ihm in der Defensive zu viele Fehler unterlaufen waren. Und in der Offensive sind die Flanken eines Christian Pander sowie die Pässe von Szabolcs Huszti einfach deutlich gefährlicher. Ob es auf lange Sicht ratsam ist, Rausch in die Obhut eines anderen Vereins zu entlassen, bleibt eine äußerst knifflige Frage.

Es soll einen niedersächsischen Mitbewerber von Hannover 96 geben, der sich den Ruf erworben hat, stattliche Gehälter zu zahlen. Dieter Hecking, der sich beim VfL Wolfsburg um besseren Fußball bemüht, hatte Rausch zu seiner Zeit als 96-Trainer 2008 in die Bundesliga befördert und macht kein Geheimnis daraus, dass er auf die ewig fleißigen Arbeiter steht. Als „Kocka“ in Hannover bleiben oder als Herr Rausch nach Wolfsburg wechseln? Die Stärken von Rausch, das schnelle Kontern und die Hereingaben aus vollem Lauf, kommen nicht mehr zur Geltung, seitdem das Umschaltspiel des 96-Teams nicht mehr funktioniert. Daraus abzuleiten, dass es Zeit für etwas Neues ist, liegt für alle Beteiligten nahe. Rausch wird sich fragen müssen, wie realistisch es ist, dass er auch im internationalen Ensemble des VfL Wolfsburg als Nacktjubler auftreten kann.  CHRISTIAN OTTO