: Mit dem Lineal an die Fischtheke
Die EU-Fischereiminister erhöhen erstmals wieder die Fangquoten für Kabeljau in der Ostsee. Und auch für die Nordsee gibt es keinen Fangstopp. Dabei ist der Bestand des Speisefisches längst gefährdet – auch, weil er viel zu jung gefangen wird
VON HANNA GERSMANN
Neue Anleitung zum Fischeinkauf: Nehmen Sie ein Lineal mit! Messen Sie die Größe des Kabeljaus nach, den Sie kaufen wollen! Ist der Fisch kleiner als 68 Zentimeter, entscheiden Sie sich für ein anderes Essen! Dann wurde er nämlich – wie 80 Prozent allen Fisches, der in deutschen Läden landet – zu jung gefangen. Er hatte keine Chance, sich fortzupflanzen. Bleibt aber der Nachwuchs weg, stirbt die Art aus.
Sie können sich die Maße nicht merken? Reiner Froese vom Forschungszentrum IFM-Geomar hilft – mit dem „Fisch-Max“. Der Kieler Meeresbiologe hat ein Spezial-Lineal konzipiert, auf dem die Mindestgrößen für Kabeljau, aber auch für Scholle oder Sprotte verzeichnet sind. Froese ist überzeugt: Die Verbraucher müssen Kabeljauschützer werden, „weil die EU den Fischern keine Grenzen setzt“.
Tatsächlich gönnt die EU den Fischen kaum eine Ruhepause. Im Gegenteil: Jedes Jahr kurz vor Weihnachten streiten sich die europäischen Fischereiminister, wie viel Meeresgetier die Trawler in den folgenden zwölf Monaten aus dem Meer ziehen dürfen. Dieses Mal erhöhten sie erstmals wieder einige Fangquoten. Damit haben sich die „Friends of fishing“ sich durchgesetzt. Das sind Länder wie Frankreich, Spanien oder Polen. Dort sichert die Fischerei Jobs und Wählerstimmen.
„Das ist das schlechteste Ergebnis seit zehn Jahren“, sagt Heike Vesper, die Meeresexpertin beim Umweltverband WWF ist. Als Beispiel nennt sie den Dorsch, wie der Kabeljau in der Ostsee heißt: Die Fischer dürfen im nächsten Jahr in der östlichen Ostsee 45.000 Tonnen des beliebten Speisefisches fangen. Das sind 6.000 Tonnen mehr als in diesem Jahr.
Und die Quoten für den Kabeljau in der Nordsee werden zwar um 15 Prozent gesenkt. Doch drängt der Internationale Rat für Meeresforschung schon seit drei Jahren auf einen Fangstopp. Denn der dortige Kabeljaubestand ist seit 1970 auf ein Zehntel geschrumpft. Und der zarten, rosafleischigen Beute geht es nach wie vor schlecht – obwohl sie eigentlich besonders fruchtbar ist. Ein Weibchen produziert im Jahr bis zu 6 Millionen Eier.
Der Kabaljau ist rar. Da klingt paradox, was Gerd Hubold, der Leiter des Instituts für Seefischerei, erklärt. Manchmal sterbe der Kabeljau nur, weil er den Fischerbooten in die Quere kommt: Er verheddert sich in den Netzen, wenn die Trawler etwa Seezunge fangen. Weil diese Delikatesse mehr Geld bringt, reservieren die Fischer dafür ihren ganzen Laderaum. Andere Meeresbewohner werden wieder über Bord geworfen – und überleben die Prozedur meist nicht.
In Zahlen: Für jedes Kilo Seezunge, das in der Kühltheke landet, verenden bis zu 9 Kilo unerwünschter Fang. Ändern wird sich daran nichts: Die EU-Minister haben auch die Quoten für die Seezunge erhöht, und zwar um 6 Prozent.
Fischliebhabern bleibt nur das Lineal: Es ist erst in kleiner Auflage erhältlich, kostet 1,80 Euro.