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Archiv-Artikel

Was hat Sie 2005 zu einem anderen Menschen gemacht?

Zwölf nichtrepräsentative Ansichten über das Jahr und darüber, was von ihm bleibt

Was mich zu einem anderen Menschen gemacht hat? Drei Wochen solitäres Wandern (eher: Rumlatschen ohne Etappenziele und terminierte Anlaufpunkte in England – nach dem ewig gültigen Droste-Motto: „Glück ist, wenn man gar nichts muss“) haben mich im Sommer zumindest vorübergehend zu einem ausgeglichenen Menschen gemacht. Noch eine Verbesserung: Seit Selma (*17. 12.) bin ich nicht mehr nur zwei-, sondern dreifacher Onkel. Go, Selma, go!

Bleibende Schäden? An mir selbst mehr so fortschreitender Verfall. Immer, wenn ich es gerade erfolgreich für ein paar Minuten verdrängt habe, hauen mir Leute von hinten auf die Schulter und trällern „Alter, dir fallen aber auch ganz schön die Haare aus mittlerweile!“ Dazu ein paar schwer zu behebende Sachschäden im Umfeld nach unzureichend kontrollierten Wutausbrüchen. In die weite Welt möchte man ja gar nicht hinausschauen, sonst würde man nicht fertig mit der Schadensbilanz. Vielleicht was gleich vor der Haustür: das von einer profilneurotischen Irren mit krimineller Energie auf Kosten zehntausender froher Kindheiten durchgepeitschte achtjährige Gymnasium „G 8“ in Bayern, dessen skandalöse Unzulänglichkeiten 2005 offensichtlich wurden. Wenn ich ein schulpflichtiges Kind hätte (oder eins wäre!), ich würde zum schaummäuligen Rächer.

Person des Jahres? Die A.

Wort? Gurkitier (Studio Braun!).

Ort? Der Strohballen am Ende des Universums (auf einem abgeernteten Weizenfeld nahe Stokesby, East Anglia, in der Abendsonne, im Mondschein und im Morgentau).

Mord? Schwarzenegger lässt Stanley Williams totspritzen.

Platte? Sufjan Stevens: „Come on, Feel the Illinoise“ (LCD Soundsystem).

Buch? Nick Mason: „Inside Out – A Personal History of Pink Floyd“. Nein, wirklich!

Film? „The Aviator“ von Martin Scorsese.

JOSEF WINKLER ist Musikjournalist und taz-Kolumnist

Ganz ehrlich? Rotwein. Ich quoll auf. Egal, dann wird halt nächstes Jahr wieder abgequollen.

 Bleibende Schäden? Offensichtlich können nur Seebeben einen „Tsunami der Menschlichkeit“ erzeugen. Das Erdbeben in Kaschmir zeigt, wie sehr uns fremdes Leid in Wahrheit am Arsch vorbeigeht, solange es nur weit genug weg ist.

Person des Jahres? Ariel Scharon, weil er Nägel mit Köpfen macht, ohne einen neuen Sechstagekrieg anzetteln zu wollen.

Wort? „Bauchgefühl“ (offenbar das Gegenteil von „Kopfgedanke“). Und natürlich die Wendung „Umfragen zufolge …“, mit der gedungene Demoskopen Deutschland hypnoptisierten.

Ort? Ceuta und Mellila, die beiden Füße Europas in Afrikas Tür – wurde Zeit, dass da mal jemand drauftritt. Der Sunset Boulevard am Morgen, bevor der Dunst kommt. Und dieses verwunschene Schloss in Schweden …

Mord? Der an Jean Charles de Menezes – hingerichtet von der Londoner Polizei, weil er in der U-Bahn einen zu dicken Mantel trug. Und an Rudolf Mooshammer, weil er auch mich einmal in seinen Rolls-Royce eingeladen hat – und Verständnis zeigte, dass ich lieber zu Fuß gehen wollte.

Platte? Arcade Fire: „Funeral“. Und, außerhalb der Zeit, „Frances the Mute“ von Mars Volta.

Buch? „Die Lücke, die der Teufel ließ“ von Alexander Kluge. Und, sehr seltsam: „In Stahlgewittern“ von Ernst Jünger.

Film? Habe nur zwei Filme gesehen, „Corpse Bride“ von Tim Burton und „The Life Aquatic with Steve Zissou“ von Wes Anderson – Bill Murray als abgehalfterter Tiefseetaucher: „Das ist ein Abenteuer.“ Er meint das Leben und hat Recht.

ARNO FRANK ist taz-Redakteur

Ein Achillessehnenabriss: Da wird man von einer Sekunde zur nächsten zum Krüppel und erkennt seine Endlichkeit.

Und ich habe gelernt, wie schwierig es ist, in die Moabiter Untersuchungshaftanstalt zu gelangen. Die ist absolut nicht barrierefrei. Im Gegenteil: Treppauf, treppab geht’s, durch schwere Türen, die mit Doppelkrücke und ohne freie Hand und mit nur schwachem Druck (auf einem Bein) kaum zu öffnen sind. Schwer schweißtreibend.

Bleibende Schäden? Im Übrigen war 2005 so wie alle Jahre zuvor: dieselben Plünderer an der Regierung, dieselben Hetzer in den Redaktionsstuben, derselbe trockene Alkoholiker, der sich in besseren Tagen die Birne weggesoffen hat, im Weißen Haus. Einen Hoffnungsschimmer gibt es immerhin auch: Der Mann musste feststellen, dass er nicht mal in der Lage ist, sich im Irak durchzusetzen. Das haben ihm viele versucht vorherzusagen, er wollte und konnte nicht hören. Gut war, dass – ohne Ökosteuer – das Publikum begriffen hat, dass Energie nicht unbegrenzt und für kleines Geld zu haben ist.

Person des Jahres? Christian Wulff, weil der durch seine Machenschaften bei VW den Arbeitsvorstand Hartz binnen weniger Tage zur Strecke gebracht und dessen gesetzgeberische Ausgeburten, die Hartz’ Namen tragen, desavouiert hat. Damit konnte dann wirklich keiner mehr wahlkämpfen.

Wort? Jamaika-Koalition, weil das Wort vernebelt, dass die Cannabis nie freigeben würden.

Ort? Wolfsburg, weil von da aus der Klassenkampf nicht auf der Straße, sondern in Bordellen geführt wurde. So ’n Klassenkampf lobe ich mir! Hätte mir mal einer sagen sollen, früher!

Mord des Jahres? Hatun Sürücü. Der Terror, den solche Familien gegen ihre Töchter ausüben, wäre sonst nicht so allgemeinkundig geworden.

Platte? Leider schwerhörig.

Buch? Ich kann nicht lesen.

Film? Bin blind.

JONY EISENBERG ist Anwalt und taz-Kolumnist („Nicht gegendarstellungsfähig“)

Wer weiß das schon. Ich? Du? Gott? Das Kaninchen? Gestern dagelegen mit dreckigen Fingern und schwerem Atem, heute gewaschen und gekämmt. Warum spielst du immer Krieg und Frieden? Nur selbst in die Tasche lügt dir ein Karmabuch. Von dem andrer Leute, lass die Finger. Ein hehres Ziel vielleicht: Nur niemand weh zu tun. Helfen schmeckt nach Pathos und Bono, wie faul. So einfach und so schwer, doch für alle Zeiten: Immer für die Freunde, Waffen nie in Gesellschaft und nie die Nacht unterschätzen.

 Bleibende Schäden? Im Großen ist die Welt die Welt, schnell und ohne Übersicht, jetzt im sich auflösenden Universum. Die Wahrheit sind Realitäten, auch Träume, und sie zu treffen das im Besten amüsante Spiel von Katz’ und Maus. Hübsch, der Fänger im Roggen, beschreibt die – Achtung neues Wort – JET-Schrift. Mehr dazu später, falls das jemals geht. Dank Dada, auf jeden Fall. Wahr ist auch: Wärme ist die neue Kühle, Trinken ist Hoffen und Glaube ist alles. Ein Wunsch für 2006: ein Sohn, ein Porsche, ins All. Vielleicht doch nur kein Schmerzinfarkt, das wäre meine Bitte. Allen Freunden gesegnete Tage. Weiter, g’scheiter …

Person des Jahres? Ariel Scharon.

Wort? Prunkology.

Ort? Coney Island, Baby!

Mord? Fira Miller, die erwürgte Fake-Kaviar-Oma aus Schöneberg.

Platte? „Down in Albion“ von den Babyshambles.

Buch? „Kinder der Nacht“ von Jean Cocteau.

Film? „Happy Endings“.

HENNING KOBER ist freier Journalist und taz-Autor

Nichts.

Bleibende Schäden? Es ist erstaunlich, wie viel sich reparieren lässt. Zerstörte Städte, gebrochene Herzen, marode Finanzen. Was sind wirklich bleibende Schäden? Den Kassandra-Rufen von Umweltschützern höre ich seit langem kaum noch zu. All diese Übertreibungen. Der deutsche Wald lebt. Oder etwa nicht?

Im Sommerurlaub habe ich den Mount Kenya gesehen. In Reiseführern steht, dass die schroffen Spitzen des 5.199 Meter hohen Berges mit ewigem Eis und Schnee bedeckt sind. Im Juli dieses Jahres waren sie das nicht. Seltsam kahl, auf fast obszöne Weise nackt ragten die Felsen in den afrikanischen Himmel.

Natürlich habe ich in Zeitungen gelesen, dass die Polarkappen schmelzen und auch die Eisschilde der Alpengletscher. Aber das waren abstrakte Informationen und sehr weit weg. Jetzt gibt es einen Anblick nicht mehr, der ganz selbstverständlich zu meinem Leben gehörte. Enge Freunde leben am Fuße des Mount Kenya. Zum ersten Mal habe ich ihn vor 25 Jahren gesehen und seither so oft, dass ich kaum noch hingeschaut habe. In diesem Sommer konnte ich den Blick nicht abwenden. So fremd sah der Berg aus. Die Kikuyu haben jahrhundertelang geglaubt, dass Gott dort oben wohnt. Das glauben sie schon seit längerer Zeit nicht mehr. Und jetzt ist auch der Berg nicht mehr derselbe.

Person des Jahres? Harold Pinter.

Wort? Vertrauen.

Ort? New Orleans.

Mord? Stanley „Tookie“ Williams.

Platte? Wir sind Helden: „Von hier an blind“.

Buch? Nuruddin Farah: „Links“.

Film? Heinrich Breloer: „Speer und Er“.

BETTINA GAUS ist politische Korrespondentin der taz

SPD-Parteizentrale, fünfter Stock, an einem Tag im September. Rotwein. Viel Rotwein. Gesichter mit freudetrunkenen Augen. Starren auf den Bildschirm eines TV-Geräts, in dem ER sitzt, wie ein Buddha, und redet, wie ein Berserker, und IHR, die ihm gegenübersitzt wie ein traumatisch gerupftes Hühnchen, erklärt: dass ER regieren wird. Was die freudetrunkenen Gesichter in einem allerersten Reflex: freute. Voller Häme, Hohn, Spott, Arroganz und allen anderen zwischenmenschlich unfeinen Attitüden. Dieser allererste Moment, da war es passiert: Ich freute mich mit. Nur kurz. Ganz kurz. Gesteuert von zwischenweiblichen unfeinen Attitüden. Manche nennen es auch Stutenbissigkeit. Angie Merkel, es wird nie wieder vorkommen! Hoffe ich.

Bleibende Schäden? Immer noch kein Kind. Tja. Aber, werte Uschi von der Leyen, ich arbeite daran. Versprochen! Schließlich gilt das seit neustem als Arbeitnehmerinnen-Wettbewerbsvorteil, sagen Arbeitgeber. Devise: Die Frau hat schon alles hinter sich, unerwarteter Arbeitsausfall unwahrscheinlich.

Person des Jahres? Doris-Schröder-Köpfs Mann.

Wort? Durchgehegelt.

Ort? Bordrestaurant im Warschau-Express.

Mord? Hatun Sürücü.

Platte? Kettcar: „Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen“.

Buch? Bischoff, Sonnhild: „Gartenkunst zum Spartarif“ – alles drin, was man über den Zustand dieser Gesellschaft wissen sollte, aber sich nie zu fragen traute.

Film? „Mongolian Ping Pong“.

SUSANNE LANG ist taz-zwei-Redakteurin

2005 war kein historisches, kein weltbewegendes Jahr. Nicht die Welt, wohl aber ihr geologischer Grund wurde dagegen in den letzten Tagen des Vorjahrs ganz gewaltig bewegt: durch die Flutwelle, der Abertausende zum Opfer fielen. Das Jahr 2005 begann mit einer zweiten Welle, die auch etwas in Bewegung setzte. Bewegt wurden sehr viele Menschen durch die Elendsbilder aus Fernost – nicht zuletzt dazu, das zu tun, was man aus der Ferne helfend tun kann: Geld zu spenden. Es ist eine alte Übung linker Christenmenschen zu insinuieren: So einfach wollt ihr euch loskaufen! Ich finde, es geht an der Sache vorbei. Dass in einem Land, in dem – reale und fantasierte – Verarmungsängste das öffentliche Bild bestimmen, fast 700 Millionen Euro an Spendengeldern zusammenkommen – das hat mich überrascht und war mir peinlich.

 Bleibende Schäden? Die Bush-Bande. Wie, bitte schön, soll ich, angesichts dieser Mauer an machtpolitischer Arroganz, meinen etwas blöden antiamerikanischen Freunden denn noch erklären, dass sie falsch liegen? Mr Bush: Tear down this wall!

 Person des Jahres? Franzela Merkelfering. Weil ich (als Befürworter des therapeutischen Klonens) gelungene Fusionen liebe.

 Wort? „Vollbildbegehren“ (so die Filmwissenschaftlerin Ursula von Keitz über den deutschen Kinotrend, die NS-Zeit opulent zu inszenieren).

 Ort? Bagdad (O. B.).

 Mord? Der an Hatun Sürücü – und allen anderen Opfern so genannter Ehrenmorde.

 Platte? Marianne Schuppe: „Incantations. The Art of Song of Giacinto Scelsi“ (New Albion Records 2005). Aufregend gut.

 Buch? Dagmar Leupold: „Alphabet zu Fuß. Essays zur Literatur“ (C. H. Beck 2005). Aufregend klug.

 Film? Malte Ludin: „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“. Aufregend notwendig.

CHRISTIAN SCHNEIDER ist Psychoanalytiker in Frankfurt am Main

Persönliche Heldenreise überstanden zu haben: Familienurlaub mit Bruder und Schwägerin in Kroatien – zehn Jahre angekündigt und nie angetreten. Steinstrand mit Kleinfamilien, im Hinterland bei der Verwandtschaft katholisch-traditioneller Terror: Die Regenbogenflagge musste eingepackt bleiben und der Freund zu Hause in Deutschland, stattdessen reihenweise Heiratsangebote lediger Akademikerinnen – ein der heiligen Familie geschuldetes Missverständnis. Nie wieder Einebnung, bitte. Gegen Ende des Jahres dann: Den Libanon sehr, sehr glücklich überlebt und nicht ins Gefängnis gekommen, trotzdem homosexuelle Betätigung dort strafbar ist. Habibi!

Bleibende Schäden? Hat irgendjemand noch mal was von den Grünen gehört?

Person des Jahres? Die taz-Panterpreisträger Sinan und Saithan.

Wort? Suboptimal.

Ort? Beirut, weil man dort nur den Augenblick lebt. Und jeder Augenblick ist es wert.

Mord? Hatun Sürücü.

Platte? Dank Kate Bushs „Aerial“ bekommt man ein anderes Verhältnis zu seiner Waschmaschine.

Buch? Alan Holinghurst: „Die Schönheitslinie“.

Film? „Gan – der Garten“, eine Dokumentation über palästinensische Stricher in Tel Aviv.

MARTIN REICHERT ist Autor für taz zwei und taz.mag

Zuletzt Arnold Schwarzenegger und seine Gründe für das Ablehnen der Begnadigung von Stanley „Tookie“ Williams: Er glaube ihm die Reue nicht. Die kuriose Aufstieg des österreichischen Muskelmanns zum Gouverneur des US-Schickeria-Bundesstaats Kalifornien hat einen ja irgendwie auflachen lassen – und genau mit diesem völlig unangebrachten Lachen ich jetzt Schluss. Kein Pardon für den bleckenden Terminatorschädel. Ein Mann wie dieser ist eben kein Witz, sondern nichts als ein primitives Schwein, das nur Ekel, Verachtung und Weggeputztwerden verdient. Daran hat er einen nun erinnert. Man hatte in diesem Jahr ja vor lauter christlichem Papstgeseier schon ganz vergessen, dass man auch mal ganz unkonziliant sein und richtig hassen muss.

Bleibende Schäden? Dass der Münchner Flughafen auch 2005 noch immer nach Franz Josef Strauß benannt ist. Grotesk und peinlich, den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten auf diese Weise weiter als ehrenwerten Staatsmann erscheinen zu lassen. Schadensvermehrung auch durch das zunehmende neckische Bedauern, dass in der heutigen Politik solche Urgesteine fehlen. Strauß sollte vor allem als verdächtig kriminelle Figur in Erinnerung bleiben.

Person des Jahres? Harold Pinter

Wort? „Nicht hinnehmbar“ – so hat unsere liebe nette neue Regierung die durchgeknallten Auschwitzlügen des Iranchefs genannt. Nicht hinnehmbar sind ferner 70 bis 90 Prozent der Kunst, Literatur, Musik, Religion und der Wahlergebnisse dieser Erde.

Ort? Das Ozonloch.

Mord? Ermordung von Präsident Bush, am liebsten natürlich durch einen Schuss von Donald Rumsfeld.

Platte? Soundtrack zum Jim-Jarmusch-Film „Broken Flowers“.

Buch? Richard David Precht: „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“.

Film? „Broken Flowers“.

JOSEPH VON WESTPHALEN ist Schriftsteller. Zuletzt erschienen: „Die Memoiren meiner Frau“ (btb, 21,90 €)

1. Ob Harald Schmidt Gott ist oder nicht, ist eine überflüssige Diskussion. Für die einen ist er es, für die anderen nicht. Zu denken gibt Folgendes: Die wegen der Umbenennung der Berliner Koch- in Rudi-Dutschke-Straße unumgängliche, vertiefte Beschäftigung mit dem Apo-Führer Rudi Dutschke hat die Wichtigkeit Schmidts stark relativiert.

2. Die in vielerlei Beziehung unterirdische Bundestagswahl.

Bleibende Schäden? Merkel.

Person des Jahres? Fast Joschka Fischer dafür, wie er es uns Journalisten mit seinem Wahlergebnis nochmal richtig gezeigt hat. Aber dann doch Werner Schulz (Die Grünen) für seinen Anstand.

Wort? Rangnick.

Ort? Ströbele. Hieß früher Berlin-Kreuzberg.

Mord? Der Heide-Mord von Kiel?

Platte? Erdmöbel: „Für die nicht wissen wie“. Kettcar: „Von Spatzen und Tauben“.

Buch? Joseph Heath/Andrew Potter: „Konsumrebellen. Der Mythos der Gegenkultur“.

Film? Diverse Sarah-Connor-Videos. Dokumentieren eindrücklich die geistig-politische Verortung unserer bildungsfernen Schichten. Vor allem sieht Connor einfach super aus. Das muss man jetzt auch mal zugeben können.

PETER UNFRIED ist stellvertretender Chefredakteur der taz

Menschen wehren sich gegen Zustände, die ihnen nicht behagen – und das leuchtete auch in der Pariser Banlieue ein, von wo wir hörten, es ginge dort unmenschlich zu, architektonisch, sozial und überhaupt.

Bleibende Schäden? Der bleibende Schaden mag nur sein, dass man immer nur sehr junge Männer sah und keine Frauen. Dass überhaupt das Weibliche unter dem Siegel des Antirassismus platt gedrückt wird – und von der bekennenden Multikultiszene fast beredt schweigend übergangen wurde. Dass der Mainstream, bis in seine konservativ-christlichen Nebenflüsse, inzwischen nachgerade stolz ist, keine republikanischen Werte mehr zu kennen, sondern nur noch leidende Opfer des weißen Mannes, das macht Angst. Alain Finkielkraut, französischer Essayist, meinte, der Antirassismus sei zu einer wohlfeilen, alles sonst wie freie Argumentieren vernichtenden Ideologie geworden – mit ihr werde alles erklärt und damit ja eigentlich nichts mehr. Klug, das.

Person des Jahres? Rafael van der Vaart (HSV, a star is re-born).

Wort des Jahres? „Kirche im Dorf lassen“ (Schröder am 18. September, zwei Stunden und 20 Minuten nach seinem Zenit).

Ort des Jahres? Jurmala; die Riviera Lettlands, russisch, lettisch, deutsch, polnisch.

Mord des Jahres? Hatun Sürücü. Umgebracht in Berlin von ihrer Familie, weil sie zu deutsch geworden war.

Platte? „Abba – The Complete Studio Recordings“ (9 CDs plus dies & das: state of the art im Hinblick auf das Abbalogische, inkl. „Happy New Year“).

Buch? „Freud und das Sexuelle“ (Campus Verlag); Herausgeberin Ilka Quindeau mit der besten aktuellen Kompilation zum sexuellen Wissen.

Film? „Unsere 50er Jahre. Wie wir wurden, was wir sind“ (ARD; beste Graswurzelrecherche ohne Guido-Knopp-Obertönigkeit).

JAN FEDDERSEN ist taz-Autor

Dass liebe Menschen in meinem Umfeld nach langer Suche endlich einen Job gefunden haben – nicht den Traumjob, aber immerhin ein Auskommen: Es geht bergauf! Dass der Autoschrauber meines Vertrauens den guten alten Golf nochmal durch den TÜV gebracht hat – wie auch immer er das angestellt hat: Er rollt weiter! Was mich definitiv nicht zu einem anderen Menschen gemacht hat: große Koalition, Merkel, neue Bürgerlichkeit, Bush sowie mein Fitnessstudio-Abo.

Bleibende Schäden? Die Anschaffung eines PCs und die damit wiederentdeckte Suchtanfälligkeit für strategische Computerspiele werden zu fortgesetzter Schlaflosigkeit und Gewichtszunahme führen. Die Preissenkung des im Erdgeschoss meines Wohnhauses residierenden Pizzabäckers auf 1,95 Euro tut ihr Übriges.

Person des Jahres? Schlagt mich tot, aber das ist für mich immer noch Gerhard Schröder, der alte Sauhund.

Wort? Qualität. Noch besser: Lebensqualität.

Ort? Ein Ruderboot auf dem Stechlinsee.

Mord? Hunter S. Thompson schießt sich selbst ab.

Platte? Fügen Sie hier ihre Lieblingsplatte ein.

Buch? Fügen Sie hier Ihr Lieblingsbuch ein.

Film? Ich warte dringend auf das nächste Drehbuch von Charlie Kaufman.

STEFAN KUZMANY ist taz-Redakteur