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Archiv-Artikel

NICOLA LIEBERT ÜBER DEN KAMPF GEGEN DIE STEUERFLUCHT Steueroasen geraten unter Druck

Großbritannien ist mehr als jeder andere Staat in Steuerfragen Opfer und Täter zugleich

Und sie bewegt sich doch. Über Jahre hinweg taten die Finanzpolitiker in der EU so, als sei gegen Steuerflucht kein Kraut gewachsen. Und jetzt, nur anderthalb Wochen nach der Veröffentlichung der Offshore-Leaks, geht alles ganz schnell. Sechs große EU-Staaten, darunter Deutschland und Großbritannien, haben sich darauf geeinigt, das Bankgeheimnis zu lockern und einen automatischen Steuer-Informationsaustausch einzuführen. Die Finanzämter sollen künftig direkt Meldung bekommen, wenn ein Steuerpflichtiger auf einem Konto im Ausland Zinsen oder andere Kapitalerträge erzielt.

Warum denn nicht gleich so, fragt man sich. Ein Teil der Antwort lautet: weil bisher nicht nur europäische Steueroasen wie Luxemburg, sondern vor allem Großbritannien mit seinem Mega-Finanzplatz London Fortschritte verhindert haben.

Großbritannien ist mehr als jeder andere Staat in Steuerfragen Opfer und Täter zugleich. Reiche Briten verstecken ihr Vermögen in Steueroasen, und Konzerne wie Google und Starbucks zahlen mit ihrer Hilfe kaum noch Unternehmenssteuern. Zugleich aber ist die Hälfte aller Steueroasen auf der Welt direkt oder indirekt Teil des British Empire, von Jersey über Gibraltar bis zu den Kaimaninseln und Bermuda.

Die Reichweite der jetzt geschlossenen Übereinkunft ist zwar begrenzt, aber das dürfte sich ändern. Wie das Beispiel Großbritannien zeigt, geraten viele Steueroasen inzwischen unter derartigen Druck, dass sie als Finanzstandorte nur Bestand haben werden, wenn sie in Steuerfragen kompromissbereiter werden. Das wäre dann das Ende des auf Anonymität und Intransparenz basierenden Geschäftsmodells der Steueroasen. Jetzt gilt es, den Druck aufrechtzuerhalten – auch wenn die Offshore-Leaks bald nicht mehr die Medien beherrschen.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 9