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Archiv-Artikel

Nicht verpassen! Eliten bauen

„Bauen auf Vergangenheit“, Sa., 20.15 Uhr, Arte

Vielleich ist die titelgebende Metapher ein wenig zu plump gewählt: „Bauen auf Vergangenheit“. Ein populärakademisches Wortspiel gewiss, doch auch ein Versprechen, dass die heute startende Arte-Reihe von zunächst vier Doku-Miniaturen nicht immer einhalten kann. Zu tief, zu gewaltig sind die Metamorphosen der urbanen Räumen, aus denen sie erzählt, als dass Vergangenheiten dort allzu wichtig genommen würden. Wo die Industriegesellschaft ausgezogen ist, aus einem Hamburger Hafenspeicher oder einer Duisburger Getreidemühle, zieht das von Stararchitekten inszenierte Erlebnisangebot ein.

So gesehen ist die heutige, erste Folge auch die Unverfänglichste. Es geht um I. M. Pei und seinen kongenialen Erweiterungsbau für das Deutsche Historische Museum Unter den Linden in Berlin, eine transparente Lichtschnecke, die dem strengen Zeughaus eine ungeahnte Offenheit schenkt. Und es geht tatsächlich um ein Spiel mit der, aber auch um die Macht von Geschichte. Es geht um die Seele eines Gebäudes, um – was im Falle des 1695 erbauten Zeughauses ganz konkret zutrifft – in Stein gemeißelte Befindlichkeiten. Wer heute Abend zuguckt, hat ein Haus und seine Zeitenwenden tatsächlich begriffen.

In der kommenden Woche und an einem Becken des Duisburger Rheinhafens erfasst man hingegen einzig die Gegenwart. Und auch von der nicht besonders viel. Sicher, man kann dem eloquenten Peter Herzog zuhören, mit seinem Büro Herzog & de Meuron ja auch verantwortlich für die großartige Allianz-Arena in München und die kürzlich beschlossene Hamburger Elbphilharmonie. Man lauscht also jenem Architekturphilosophen in eigener Sache. Findet es schick, wie würdevoll und gleichzeitig nüchtern ein Industriedenkmal zum Speicher für Moderne Kunst – Baselitz, Lüpertz, Kiefer, große Namen halt – transformiert wurde. Besichtigt ein tatsächlich skulpturales Treppenhaus. Und sieht von Duisburg selbst, die Stadt der industriellen Krise, kaum mehr als eine paar Cappuccinoschlürfer und Inlineskater.

„Bauen auf Vergangenheit“ schafft eben auch das: neue elitäre Orte. So widmet sich die vierte Folge dem Hamburger Stilwerk, exklusives Lebensstil-Möbelhaus in einem verblichenen Ort der (körperlichen) Arbeit. Clemens Niedenthal