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Archiv-Artikel

Revier besorgt‘s dem Osten

Die Probleme der Entsorgungsfirma AGR aus dem Ruhrgebiet treffen auch Ostdeutschland: Müll wird von Halle nach Bremerhaven gekarrt, weil eine Müllverbrennung nicht gebaut werden kann

VON ELMAR KOK

Die finanziellen Schwierigkeiten der Essener Entsorgungsfirma Abfallgesellschaft Ruhrgebiet (AGR) sorgt in Sachsen-Anhalt für Müllverschickung. Weil die AGR, Entsorgungsfirma des Regionalverbandes Ruhrgebiet (RVR), ihre geplante zweite Müllverbrennungsanlage (MVA) in Herten momentan nicht bauen kann, müssen auch die Bürger von Halle an der Saale auf eine eigene MVA warten.

So lange die Finanzierung für die zweite Ausbaustufe in Herten nicht sicher ist, will die AGR keinen Bauauftrag für Halle vergeben. „Sie bestellen auch keine Garage, wenn sie das Haus noch nicht gebaut haben, sage ich mal ganz salopp“, so Heinz Struszczynski, Sprecher der AGR. Der Entsorger will durch den gleichzeitigen Bau der Anlagen Geld sparen. Momentan wird der Hallenser Müll nach seinen Angaben noch nach Bremerhaven gekarrt und dort verbrannt. Rund 380 Kilometer legt der Müll bis dorthin zurück, dafür garantiere die AGR den ostdeutschen Bürgern einen „sehr günstigen Entsorgungspreis im deutschen Vergleich“, sagt Struszczynski. Eigentlich sollte die MVA in Halle in 2007 in Betrieb gehen. Mittlerweile ist bei der AGR von 2008 die Rede.

Der Mülltourismus wird so lange weitergehen, bis die Finanzierung der Hertener Anlage gesichert ist. Struszczynski sagt, der Bau in Herten solle nicht, wie bisher geplant, über Anteilsverkäufe an der AGR finanziert werden, vielmehr „sollen die Bewerber nur noch projektorientiert für die MVA bieten“. Noch etwas steht der AGR im Weg: Nach Angaben der Abfallwirtschaft GmbH Halle-Lochau sei das Gelände der ehemaligen Deponie noch gar nicht in AGR-Besitz. Martina Rapthel, Sprecherin der Firma erklärt: „Das Gelände gehört uns noch, es ist allerdings geplant, zu verkaufen.“ Rund um die stillgelegte Deponie und um die neue MVA soll dann ein Gewerbegebiet entstehen.

„Das wünschen wir uns alle“, sagt Uwe Köck, Landtagsabgeordneter und Stadtratsmitglied der Linkspartei.PDS in Halle. Es sei fraglich, ob es eine weitere MVA in der Region brauche, so Köck. Denn dort seien bald „zwei Millionen Tonnen Entsorgungskapazität vorhanden“. Köck hat von den finanziellen Problemen der AGR gehört. „Wenn so ein Unternehmen von der Bildfläche verschwindet, wäre die Kommune wieder für die Entsorgung zuständig“, sagt er. Ob die geplante „eher kleine“ 100.000 Tonnen-Anlage wirtschaftlich sei, stehe auch in Frage, sagte Köck.

Diese Frage scheinen sich auch die Verantwortlichen der AGR in Herten mittlerweile zu stellen. Durch die Verzögerung des Anlagenbaus dürfe es in jedem Falle „für die Stadt Halle keine zusätzliche Belastung geben“, sagt Struszczynski. Und wenn in der Region schon Kapazitäten vorhanden seien, „wird man die gegebenenfalls nutzen können“. Dann fielen aber auch die eingeplanten Synergien für den Bau der Hertener Anlage weg. Und den Hallensern fehlt das Zentrum ihres Gewerbegebiets.