TIERE IN DER STADT : Angriff des Bären
In die Erdgeschosswohnung sind neue Nachbarn eingezogen. Die Wohnung war, wie sie sagten, in einem erbärmlichen Zustand. Sie renovieren seit zwei Monaten. Seit Kurzem steht eine alte Badewanne im Hof. Immer, wenn wir an ihr vorbeilaufen, schaut die Tochter nach, ob Vögel darin baden. Dem Sohn ist das zu blöd, klar, und eines Morgens sagt er, den Schulranzen auf dem Rücken: „Weißt du, wenn ein Bär auf dich zukommt, was machst du dann?“ Ich weiß nicht, was ich machen würde, antworte ich.
Die Tochter ist, während sie einen Raketenrest, der hier noch immer herumliegt, fokussiert, gegen eine der Mülltonnen gelaufen und hingefallen. Sie weint kurz und steht wieder auf. „Okay“, sage ich, „ich laufe weg.“ „Falsch“, sagt der Sohn, er hält den Finger seiner rechten Hand belehrend in der Luft und sagt: „Du darfst nie vor einem Bären wegrennen. Der greift dich dann sofort an und frisst dich.“ „Okay“, sage ich.
Ich nehme die Tochter, begutachte ihre Beule, und setze sie auf den Fahrradsitz. „Weißt du, was du machen musst“, fragt der Sohn, nachdem er sein Fahrrad abgeschlossen hat: „Du musst warten.“ „Also“, sage ich, „ich stehe dann im Wald und warte solange, bis der Bär verschwunden ist?“ „Genau“, sagt der Sohn, „und dann darfst du erst weiterlaufen.“ „Und wenn der Bär sehr lange braucht?“ „Du musst warten!“ Der Sohn überlegt, nimmt dann sein Fahrrad, schiebt es zur Tür und geht vor.
Ich schaue nach der Beule, die Tochter sagt „Aua, das war ein Bär“. Ich sage, es war die Mülltonne, es ist nicht schlimm. „Jagt A. jetzt den Bären“, fragt sie. „Nein, das war Quatsch, es gibt hier keine Bären.“ Der Sohn wartet draußen auf uns, er steht mit seinem Fahrrad vor dem Bäcker. „Woher weißt du das alles“, frage ich, als wir neben ihm halten. „Von der Bären-CD“, sagt er, dann wieder sein Zeigefinger. „Wenn du dich bewegst“, sagt er, „hast du Pech gehabt“. BJÖRN KUHLIGK