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Archiv-Artikel

Was der Ausschuss klären sollte

Fünf Fragen zu den jüngsten Skandalen des Bundesnachrichtendienstes

Grauzonen im „Krieg gegen Terror“ und im Irakkrieg: Abgeordnete wollen Klarheit

BERLIN taz ■ Seit November jagt ein BND-Skandal den nächsten, die Übersicht wird zunehmend schwierig. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages müsste sich im Wesentlichen mit folgenden Fragen beschäftigen:

• Welche Aufgaben hatten die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, die während des Irakkrieges in Bagdad eingesetzt waren, welche Informationen gaben sie an die Krieg führende Partei USA weiter?

Zwei Mitarbeiter des BND sollen, so Recherchen der ARD, am 7. April 2003 im Bagdader Ortsteil Mansur auf Bitten des US-Geheimdienstes CIA aufgeklärt haben, ob sich der Diktator Saddam Hussein in einem Restaurant in der Ramadanstraße aufhalte. Sie hätten eine Kolonne schwarzer Mercedes-Limousinen vor dem Lokal gesehen, sollen die beiden BND-Späher nach einer Inspektion vor Ort an ihre Zentrale in Pullach gemeldet haben. Keine Stunde später später schlugen satellitengesteuerte Bomben in das Gebäude ein. Mindestens zwölf Menschen wurden getötet. Es waren Zivilisten, von Saddam Hussein und seinen Getreuen keine Spur. Zwar hat das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) am Freitag vergangener Woche mehrheitlich befunden, es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, „dass die Mitarbeiter des BND – entgegen ihrem Auftrag und der eindeutigen Weisungslage – an Zielerfassungen oder Einsatzsteuerung für die US-Streitkräfte beteiligt waren“. Unter den Informationen, die der BND während des Irakkriegs an die USA übermittelte, sollen aber dennoch militärisch verwendbare Daten gewesen sein. So wurden laut dem Magazin Der Spiegel etwa Informationen über Truppenbewegungen in Bagdad und die Position von Verteidigungsstellungen weitergegeben.

• In welchen Fällen waren deutsche Behörden an der Vernehmung Terrorverdächtiger im Ausland beteiligt?

In einem Fall wurde der in Hamburg lebende deutsche Islamist Mohammed Haidar Sammar drei Monate nach den Anschlägen vom 11. September in Marokko von den dortigen Behörden gefasst und von der CIA nach Syrien verfrachtet. Beamte des Bundeskriminalamtes, des BND und des Bundesverfassungsschutzes sollen ihn im November 2002 in Damaskus drei Tage lang in dem berüchtigten Gefängnis Far Falastin des Militärgeheimdienstes vernommen haben. Die Anstalt sei für „routinemäßige schwerste Folter“ (amnesty international) berüchtigt. Deutsche Vernehmer waren aber auch im US-Stützpunkt Guantánamo auf Kuba zugegen. Zwei Beamte des BND und einer des Kölner Verfassungsschutzes vernahmen im September 2002 neben dem aus Bremen stammenden Türken Murat Kurnaz („Bremer Taliban“) auch den aus Mauretanien stammenden Ould Slahi, der in Duisburg gelebt hat. Beide waren als Terrorverdächtige von den US-Behörden interniert worden.

• Darf sich ein Rechtsstaat der „Früchte der Folter“ bedienen?

Die große Koalition hat die Vernehmung gefangener Terrorverdächtiger im Ausland durch Deutsche mehrfach gerechtfertigt. Entsprechend äußerten sich die Innenpolitiker von CDU/CSU und SPD, Wolfgang Bosbach und Dieter Wiefelspütz. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zog die Konsequenz, dass künftig für Vernehmungen im Ausland nicht mehr Beamte des Bundeskriminalamts eingesetzt werden dürfen – wohl aber Mitarbeiter der Nachrichtendienste.

• Wieweit nutzen CIA-Mitarbeiter Einrichtungen in Deutschland, wenn sie Terrorverdächtige in geheime Gefängnisse außerhalb der USA verschleppten oder wenn sie diese fremden Staaten zu Verhören „überstellten“?

Neben dem weitgehend bekannten Fall des Deutschlibanesen Khaled al-Masri, der von der CIA nach Afghanistan verschleppt und dort gefoltert wurde, sollte im Ausschuss die Entführung des ägyptischen Imams Abu Omar Anfang 2003 in Italien behandelt werden. Der radikale Imam wurde am 17. Februar in Mailand gekidnappt und zum US-Stützpunkt Aviano in Norditalien verschleppt. Von dort ging es weiter nach Ramstein – auf deutsches Gebiet. Abu Omar wurde auf dem US-Stützpunkt in eine andere Maschine umgeladen und mit dem Ziel Kairo ausgeflogen. Er ist bis heute verschwunden. Dass der US-Geheimdienst häufig deutschen Luftraum nutzte, belegen Zahlen der deutschen Flugsicherungsbehörde. 2002 registrierten deren Mitarbeiter 137 Flugbewegungen mit Flugzeugen der CIA, 2003 waren es 146. Unter Verweis auf Geheimschutzinteressen hat sich die Bundesregierung bisher geweigert, Details über die geheimen Gefangenentransporte in der Öffentlichkeit zu erörtern.

• Hat der Bundesnachrichtendienst seine Kritiker überwacht und ausgespäht?

Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass der Leiter des Weilheimer Instituts für Friedensforschung, Erich Schmidt-Eenboom, und seine Besucher in den 90er-Jahren über lange Zeiträume hinweg observiert wurden. Offizieller Anlass war ein Buch Schmidt-Eenbooms, in dem er Details über die Arbeit des Dienstes offenbarte. Zur „Eigensicherung“, also zur Ermittlung der undichten Stelle, habe die Pullacher Behörde anschließend den Autor der Studie unter Beobachtung gestellt. Im Parlamentarischen Kontrollgremium ist dieser Vorgang bereits als vollkommen überzogen und rechtswidrig eingestuft worden worden. WOLFGANG GAST