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Archiv-Artikel

Abseits der Großen

Der erste Tag bei den Australian Open war kein schlechter für die Deutschen. Vor allem Julia Schruff überzeugt

„Rainer muss endlich wieder Game, Set, Match und seinen Namen dahinter hören“

MELBOURNE taz ■ Court Nummer 8 liegt im Melbourne Park nicht in allerbester Lage. An den Rand gedrängt, nah am Zaun, hinter dem die Bahntrasse verläuft. Wer hier spielen muss, der braucht gute Nerven; die Züge rattern, und von den Nebenplätzen dringen kakofonische Gesänge trunkener Schweden, Japaner oder Australier herüber. Bis zur riesigen Rod Laver Arena sind es Luftlinie nicht viel mehr als 200 Meter, aber vom Zaun aus betrachtet scheint diese Arena auf einem anderen Planeten zu liegen. Da drüben spielen die mit den großen Namen, an den Bahndamm werden jene verdammt, die nicht bekannt genug sind oder deren Namen man schon wieder vergessen hat.

Am Montag erschien Rainer Schüttler auf Court Nummer 8. Er begann gut gegen seinen langjährigen Trainingspartner und Freund Lars Burgsmüller, geriet dann ohne ersichtlichen Grund ins Trudeln, spielte am Ende nach eigener Einschätzung „sehr, sehr bescheiden“ und verlor 6:3, 3:6, 6:7, 3:6. „Es war kein schöner Tag“, sagte er hinterher. Wieder einer. Er hat solche Tage in den beiden vergangenen Jahren zur Genüge erlebt, aber in Melbourne fallen sie stärker auf als anderswo. Schließlich hat er hier im Januar 2003 den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert als Finalist da drüben in der Arena, 200 Meter und eine Ewigkeit entfernt.

Dabei dachte er wirklich, im neuen Jahr könne er das Glück endlich wieder zwingen. Schüttler sagt, er habe fünf Wochen lang hart trainiert, er sei gesund und fühle sich so fit wie seit Jahren nicht mehr. Und im Training spiele er auch gut. Was Burgsmüller bestätigt: „Ich finde, er ist wieder viel, viel besser als letztes Jahr.“ Das finden alle, aber was nützt das, solange er Spiele wie jenes gegen Burgsmüller verliert; wenn die wichtigsten Werte der Statistik für ihn sprechen, wenn er am Ende deutlich spürt, dass der Gegner erschöpft und kraftlos ist – und wenn er all das dennoch nicht nutzen kann. Es sieht so aus, als wolle die schwarze Serie einfach kein Ende nehmen. Wieder eine Niederlage in der ersten Runde eines Grand-Slam-Turniers, die sechste in zwei Jahren, und sie wird ihn nur deshalb nicht weitere Plätze in der Weltrangliste kosten, weil er in Melbourne nicht allzu viele Punkte zu verteidigen hat.

Teamchef Patrik Kühnen sagt, man könne Schüttler nicht das Geringste vorwerfen; der sei nach wie vor ein vorbildlicher Profi und auch bereit, mal was Neues zu probieren, wenn die alte Methode keinen Erfolg mehr bringe. Aber wohin der Weg führen werde, sei einfach eine Frage des Selbstbewusstseins. „Rainer muss endlich wieder Game, Set, Match und seinen Namen dahinter hören. Die Niederlage hier ist bitter, aber das muss er verkraften. Ich glaube nach wie vor an ihn.“ Das tut Schüttler selbst auch. „Ich habe ein Match vergeigt, aber ich lass mich jetzt nicht entmutigen“, sagt er.

Damit keine falschen Vorstellungen aufkommen: Dieser erste Tag bei den Australian Open 2006 war ein guter Tag für das deutsche Tennis. Denn neben Burgsmüller gewannen die Herren Kohlschreiber und Gremelmayr, doch vor allem auf Court Nummer 3, in Rufweite der Rod Laver Arena, tat sich Erfreuliches. In Lindgrün besiegte Julia Schruff die Russin Jelena Dementjewa, Nummer 9 der Welt (7:5, 6:2), und sie bestätigte damit die positiven Eindrücke der vergangenen Monate. Zwar profitierte die Nummer zwei des deutschen Frauentennis von der bekannten Aufschlagschwäche und insgesamt zwölf Doppelfehlern Dementjewas, aber vor allem imponierte sie mit mutigem, druckvollem Spiel.

Auch eine andere meldete sich zurück: Martina Müller, 23, gewann nach mehr als drei Jahren wieder ein Spiel im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers (1:6, 6:2, 6:3 gegen die Slowakin Jarmila Gajdosova). Im Sommer 2002 hatte sie auf Platz 51 der Weltrangliste gestanden, hatte in jenem Jahr auch den letzten Titel des deutschen Frauentennis bei einem WTA-Turnier geholt, doch danach war sie aus dem Blick- feld verschwunden. Sie selbst sagt, sie sei nie weggewesen, habe in den beiden vergangenen Jahren halt eher bei kleineren Turnieren gespielt. Doch es geht nichts über Erfolge in der ersten Liga. Auch Martina Müller spielte am ersten Tag auf einem Platz am Bahndamm, aber mit dem Sieg machte sie daraus ein gutes Fleckchen Erde.

DORIS HENKEL