: Ein hilfloser Helfer
WOHNEN Der Wärmestube, wo die zwangsgeräumte Rosemarie F. starb, droht selbst die Räumung. Vermieterin Gesobau und Bezirkspolitiker machen Betreiber verantwortlich
ZOLTAN GRASSHOFF
VON SEBASTIAN ERB
Es passt ins Konzept, dass die „Pressekonferenz“ per Online-Livestream stattfindet. Zoltan Dominic Grasshoff, Ende 30, schaut schräg in die Kamera. Er trägt ein weißes T-Shirt, auf dem ein Logo abgebildet ist: „Wärme mit Herz. Kälte Hilfe“. Im Bildhintergrund ein Flachbildfernseher. Eigentlich wollte Grasshoff nach Spanien auswandern und ein verlassenes Dorf kaufen, um dort mit 300 anderen Menschen autark zu leben. Bis ihm klar wurde, dass er lieber Obdachlosen in Berlin helfen möchte. Und zwar „ohne Verein, keine Vereinsmeierei, jeder kann sich einbringen, kann eine Idee auf der Facebook-Seite posten, und wenn viele liken, wird das gemacht, so einfach ist die Welt“.
Der Grund, warum sich Grasshoff jetzt zu Wort meldet: Seine kleine Obdachlosenunterkunft soll geräumt werden. Er spricht fast ohne Pause, knapp zwei Stunden lang, erzählt aus seinem Leben, wie er als Pokerspieler sein Geld verdiene, wiederholt sich, trinkt zwischendurch Cola.
„Ich bin eine Rampensau, das gebe ich zu“, sagt er ungefragt. Und richtig: Die Zeitungen schrieben über ihn, das Fernsehen berichtete von den Essensverteilaktionen in U-Bahnhöfen und der Wohnung im Wedding, in der seit Ende 2010 Obdachlose untergebracht sind. Als der Tod von Rosemarie F., deren Wohnung zwangsgeräumt worden war, zum Politikum wurde, meldete sich auch Grasshoff zu Wort. Denn die Rentnerin starb in seiner „Wärmestube“.
Die soll am Donnerstagmorgen geräumt werden, der Termin war zuvor mehrfach verschoben worden. Für Grasshoff und seine Mitstreiter ist das ein „Skandal“, sie greifen deshalb heftig die Eigentümerin an, die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Auch den Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), haben sie als Feindbild ausgemacht, weil er sich nicht für sie einsetzt.
„Nur Zwischennutzung“
Dabei sei von vornherein klar gewesen, dass es nur um eine Zwischennutzung gehe, so die Gesobau. Und Grasshoff sei kein verlässlicher Kooperationspartner mehr: „Das Vertragsverhältnis und die seit einem Jahr vertragslose Besetzung der Wohnung in der Sprengelstraße durch Herrn Grasshoff ist geprägt von Belästigungen, Beschimpfungen und Beleidigungen seitens des Initiators der ‚Kältenothilfe‘.“
Auch Hanke wählt ungewöhnlich deutliche Worte. Er habe „erhebliche Zweifel an der Seriosität des Hauptakteurs der sogenannten Volksinitiative“. Dieser habe ihn diffamiert und sich in seiner Bürgersprechstunde unmöglich verhalten. „Es scheint ungerecht, nun auch die städtische Gesobau an den Pranger zu stellen.“
Grasshoff sieht das alles natürlich anders. „Irgendwann werden sie merken, dass wir es sind, die den Menschen helfen“, sagt er. Jetzt würden sie eben Camps errichten, mehrere, innerhalb des S-Bahn-Rings. Damit kenne er sich aus. Grasshoff war in der Occupy-Bewegung aktiv, ging aber den anderen Aktivisten bald ziemlich auf die Nerven. Jetzt hofft er, dass viele, die online bei der „Kältehilfe“ auf „Gefällt mir“ geklickt haben, vorbeikommen. „Ich glaube, es wird bunt am Donnerstag. Wir bringen viele Luftballons mit.“