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Archiv-Artikel

spielberg, draesner etc. Exakte Planung

Vielleicht hätte der Luchterhand Verlag die Veröffentlichung von Ulrike Draesners München-72-Roman „Spiele“ zielgerichteter auf Spielbergs „München“-Filmstart abstimmen sollen. Bei seinem Erscheinen im September vergangenen Jahres war der Roman einer von vielen in einem starken Herbst, jetzt, im Windschatten des Spielberg-Films, wäre „Spiele“ der Roman zum Film gewesen, die deutsche Perspektive gewissermaßen, brandaktuell. Tja, schade.

In „Spiele“ erinnert sich die Fotojournalistin Katja Berewski an die Ereignisse des 5. auf den 6. September 1972, da sie selbst ein 13-jähriges Mädchen war, nicht zuletzt, weil der mit ihr befreundete Polizist Max in die Schießerei auf dem Flughafen in Fürstenfeldbruck verwickelt ist.

Draesner geht der Frage nach, wie die Zeitgeschichte Auswirkungen auf die private, individuelle Geschichte hat: Katja reflektiert vor dem Hintergrund der Ereignisse in München die eigene Vergangenheit und Herkunft – Katjas Großeltern und ihr Vater sind Vertriebene –, und sie geht, als ständig Umherreisende, ihren Heimatgefühlen auf den Grund: „Zu Hause ist, wo dir auch die Katastrophen gehören.“

Mag Draesners Roman etwas angestrengt wirken, in jedem Fall ist in ihm eine ziemlich vollständige Dokumentation dieses schwarzen Septembertages eingebettet. Draesner hat genau recherchiert und auch das jetzt erstmals auf Deutsch vorliegende Buch des englischen Journalisten Simon Reeve gelesen, „Ein Tag im September“ (Heyne TB), das im Jahr 2000 die Grundlage für den gleichnamigen Dokumentarfilm bildete. Bei paralleler Lektüre findet man hie wie da auch abseitigste Fakten: etwa dass im Tower des Flughafens ein Modellflugzeug auf dem Schrank bei der Schießerei getroffen wurde. Oder wie Hans-Jochen Vogel Willy Brandt nachahmte, wenn es um Fragen nach einer vorgetäuschten Flugzeugentführung zwei Monate nach dem Attentat ging (auf die hin die drei überlebenden Geiselnehmer freigelassen wurden).

Am Ende merkt Katja, dass der 5./6. September 1972 „eine unwahrscheinliche Mischung aus exakter Planung, grober Nachlässigkeit, heiterer Sorglosigkeit“ war und die Wahrheit „tausend Arme hatte, tausend Gesichter“.

GERRIT BARTELS