Exzellenz mit leeren Taschen

Die Universität Bremen ist als einzige Uni Norddeutschlands in die Vorauswahl der Exzellenzinitiative des Bundes gekommen. Im Akademischen Senat nährt das die Hoffnung, nun die Sparbeschlüsse des Bildungssenators rückgängig machen zu können

von Christian Jakob

Reinhard Fischer ist ganz aus dem Häuschen. Normalerweise untersucht der Mineraloge Kristalle. Heute aber ist er so etwas wie der Götterbote: Es ist Mittwoch, an der Universität Bremen tagt der Akademische Senat. Fischer leitet die Sitzung. Eigentlich keine tolle Sache und eigentlich tut dies der Rektor der Universität, aber der ist in Kamerun. Also ist Fischer dran. Und er hat ausgesprochen gute Neuigkeiten.

Am Freitagabend hätten sie es erfahren. Einige Mitarbeiter der Universitätsleitung seien „um den Computer des Rektors versammelt“ gewesen, als das Telefon klingelte. Der Anrufer war von der „Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder“ einer Art Sonderförderungsprogramm für Universitäten. Und er teilte der kleinen Versammlung mit, dass ihre Universität die Vorauswahl des Bewerbungsverfahrens bestanden hätte. Als einzige Uni Norddeutschlands. Fischer lobt ohne Unterlass. Das Engagement aller Beteiligten. Den Rektor. Den Konrektor. Und die Mitarbeiter des Bildungssenators. Undsoweiter.

Ein Vertreter der „Sonstigen Mitarbeiter“ mag die Euphorie nicht teilen. „So ganz schmeckt mir das nicht.“ Er meint Fischers Lob für den Bildungssenator. „Die sind schließlich für den ganzen Abbau hier verantwortlich.“ Fischer kaut auf seiner Brille. „Wir kommen später zu diesem Punkt“, sagt er – ganz so schnell soll es dann doch nicht gehen mit der Rückkehr zu den Kehrseiten der Bildungspolitik.

Denn die sind unangenehm genug. Knapp 100 von rund 300 Professuren soll die Universität bis 2015 streichen, ganze Fachbereiche sind von der Schließung bedroht. Das überschuldete Bremen will jährlich rund 10 Millionen Euro im Universitätshaushalt kürzen. Da kam die Vorentscheidung des Wissenschaftsrat gerade recht. Aufgeteilt auf drei „Förderlinien“ winken 20 Millionen Euro – pro Jahr. In der Kategorie „Graduiertenschulen“ hat sich die Soziologie und die Meeresforschung qualifiziert, bei den „Exzellenzclustern“ das „Forschungszentrum Ozeanränder“.

Dritte und wichtigste – weil umfangreichste – Förderlinie aber sind die „Zukunftskonzepte“. Gemeint ist wohl eine Art neues Leitbild für die Gesamtuniversität, die dann – entsprechend umstrukturiert – auch insgesamt vom Geldsegen profitiert. In Bremen ersonn man den wohlklingenden Namen „Interdisziplinäre Forschungsuniversität Bremen“. Was sich denn dahinter verbirgt, möchte eine leicht verfroren wirkende Frau wissen. Sie bekommt keine Antwort. Die Sache ist offenbar noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Schließlich wurde bisher nur eine „Antragsskizze“ für die Vorauswahl eingereicht, an der endgültigen Fassung wird noch bis April gearbeitet.

Diese Planungen sind aber nicht die einzigen, denen sich die Universität zu widmen hat. Schon seit einigen Monaten tagt unter dem harmlosen Namen „HEP AG“ eine Kommission, deren Aufgabe es ist, zu bestimmen, wo genau die Einsparungen im Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro angesiedelt werden sollen. Nun ist es nicht so, dass der Akademische Senat noch nie gegen die Haushaltsentwürfe der Landesregierung protestiert hätte. Trotzdem aber wurde brav die Kommission eingesetzt und darüber nachgedacht, welche Professuren denn am ehesten verzichtbar sind.

Bei der gestrigen Sitzung war die Antwort klar: Gar keine. Vier Professoren haben einen Antrag vorbereitet. Die Kommission soll ihre Planungen einstellen, die Landesregierung soll aufgefordert werden, die Etatkürzungen „vor dem Hintergrund der Beschlüsse der Exzellenz-Initiative zu überdenken“. So geht man nicht mit Deutschlands Spitzenforschern um. „Nachhaltige Exzellenz“, erläutern sie ihren Antrag, gibt es nicht mit dem „Damokles-Schwert der Verringerungen der Professuren.“ Auf keinen Fall.

Der Antrag wird vom akademischen Senat abgelehnt: Man bekommt Angst vor der eigenen Courage. Letztlich ringt man sich nur dazu durch, vorsichtshalber doch weiterzuplanen, aber die Landesregierung aufzufordern, die Kürzungspläne zurückzunehmen. Vielleicht.