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Archiv-Artikel

Zweifelhafte Erfahrungen

betr.: „Warum ein Lesben- und Schwulenverband den Muslim-Test begrüßt. Autoritäre Versuchung“, taz vom 21. 1. 06

Ja, warum sind wohl Schwule für einen „Muslim-Test“? Weil Schwule, nicht zuletzt in Berlin, die zweifelhafte Erfahrung machen dürfen, dass ihre erst kurze Zeit auf deutschem Boden grundgesetzlich gewährten Freiheiten von einer homophoben Grundgesinnung islamisch-türkisch-arabischer „Migranten“ und ihrer Sprösslinge in Frage gestellt werden – und zwar ganz konkret in Form von täglichen verbalen und tätlichen Übergriffen. Soll der Schläger nun zum deutschen Staatsbürger werden, ohne dass seine homophobe Gesinnung in Frage gestellt würde? STEPHAN EIBICH, Berlin

Niemand braucht irgendeinen Test, um irgendjemanden auf irgendeine Einstellung abzufragen. Heraus kommen alles andere als tolerante Persönlichkeiten.

Die multikulturelle Gesellschaft ist lebbar. Was sie braucht, sind Zivilcourage und Mut zur Auseinandersetzung mit dem Unbekannten. Kreuzberg ist multikulturell und hier findet kein clash of civilizations statt. Ich mache seit 1994 in Kreuzberg Jugendarbeit. Ich bin schwul und ich bin geschminkt – immer. Jeder weiß, das ist ’ne Schwuchtel. Zugegeben – leicht ist es nicht; man muss über seinen Schatten springen. Doch seit einem Jahr höre ich öfter: Wolfgang, weißt du, der Prophet war auch geschminkt.

Ich fordere alle Entscheidungsträger auf, stellt euch der gesellschaftlichen Verantwortung, seid mutig, seid zivil couragiert und lebt und arbeitet für eine offene tolerante multikulturelle Gesellschaft. Hört endlich auf, an totalitären Strategien zu arbeiten. Zum ersten Mal in meinem fünfzigjährigen Leben schäme ich mich, schwul zu sein. WOLFGANG FISCHER, Berlin