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Archiv-Artikel

SECHSTER TAG Die Getriebenen

Guten Tag! Schauen wir heute einmal den Getriebenen der Berlinale dabei zu, wie sie die Leinwand zum Laufband machen oder sie als sprichwörtliche Leinwand mit Farbe beklecksen. In Benjamin Heisenbergs Wettbewerbsbeitrag „Der Räuber“ wetzt ein adrenalinsüchtiger Bankräuber in Richtung Selbstauflösung.

So wie hier der famose Hauptdarsteller Andreas Lust raubt, ohne reich werden zu wollen, sind die meisten Protagonisten von „Exit Through the Gift Shop“ Künstler, ohne im Museum landen zu wollen. Zumindest erklärt es so das Dokufeature des mysteriösen britischen Street-Art-Künstlers Banksy: Die Helden seines Films hängen sich von Brücken und kippeln auf Dachschrägen, allein um den Zeichenkreislauf der Popmoderne ad absurdum zu führen. Dass ihre Sprüh- und Stencil-Kunst unter Umständen nur eine Nacht hält, ist ihnen völlig egal. Nur Banksy selbst scheint inzwischen nicht mehr ganz so getrieben zu sein wie früher, sonst hätte er zur Premiere seines Films wohl einen spektakulären Stunt in Berlin veranstaltet.

Angenommen, der Mann ist tatsächlich in der Stadt, wie Dieter Kosslick noch fest behauptet – hätte dann nicht in der Nacht von Sonntag auf Montag aus Penélope Cruz’ Werbelächeln am Kollhoff-Tower ein Totenschädel werden müssen? Oder aus ihrer goldenen Haarspraydose zumindest ein gigantischer Dildo?

Getriebene durch und durch sind dafür wieder die Journalisten der Berlinale. Zum Beispiel die Korrespondentin aus Kanada, Anne-Christine mit Vornamen: Sie bringt bei den Pressekonferenzen regelmäßig die Regisseure und Schauspieler in Verlegenheit und die versammelte Kollegenschaft in Rage – indem sie grundsätzlich die erste Frage stellt, die jedoch eher ein länglich poetisierender Gefühlsmonolog ist. Oder der namenlose Interviewer, von dem man sich vor dem Banksy-Screening erzählte, dass er einen der raren Interview-Slots mit Ben Stiller zu dessen Komödie „Greenberg“ ergattert habe, im Flugzeug nach Berlin sei ihm aber ein unerträglicher Schmerz durch die Brust gefahren. Aufgewacht sei er wieder in einem Berliner Krankenhaus, wo man ihm eröffnete, ihm stecke ein Stein in der Lunge. Auf Sedativa und mit der optimistischen Prognose der Ärzte, er werde den Stein sicher bald auspinkeln, habe er alsbald das Krankenhaus verlassen. Das Interview mit Ben Stiller habe er selbstverständlich nicht abgesagt. So produziert die Berlinale, diese Feier der Fiktionen, schon fleißig ihre ganz eigenen Stoffe. Für einen Kurzfilm sollte es reichen. Bis morgen! JAN KEDVES