: Der die Massage liebt
Er hat die Sterne gesehen. Er fand es himmlisch.“ Knapp fasst die junge Frau am Telefon den Abend mit Guido Bertolaso zusammen, dem Chef des italienischen Zivilschutzes. In einem römischen Fitnesscenter – an jenem Tag für andere Gäste geschlossen – hatte sie den mächtigen Bertolaso empfangen, doch das Honorar für ihre Dienste bekam sie von einem Bauunternehmer, der mit den Aufträgen des Zivilschutzes viel Geld verdiente.
„Bloß eine Massage“ will der 59-jährige Bertolaso erhalten haben, doch die Fahnder hörten am Telefon mit, wie der Chef des Fitnesscenters sich Sorgen machte, ob auch „alle benutzten Präser eingesammelt“ worden seien. Zwei Ministerialbeamte und zwei Unternehmer wurden jetzt verhaftet, weil sie die millionenschweren Bauaufträge des Zivilschutzes unter Einsatz von Schmiergeld und sexuellen Gefälligkeiten nach Kräften manipuliert haben sollen, und auch gegen Bertolaso wird ermittelt.
Einer der mächtigsten Männer im System Berlusconi gerät da ins Fadenkreuz der Justiz – denn der Zivilschutz ist in Italien zu einer wahren Krake geworden. Ob die Müllkrise in Neapel oder das Erdbeben in L’Aquila oder die Errichtung von Hallen für die Schwimmweltmeisterschaften in Rom im letzten Sommer: Gerne ruft die Regierung Berlusconi den „Notstand“ aus, um dann Bertolaso mit umfassenden Vollmachten zum „Sonderkommissar“ zu berufen. Der studierte Mediziner, seit 2001 an der Spitze des Zivilschutzes und seit 2008 auch Staatssekretär in der Regierung Berlusconi, trifft dann jedes Mal am Tatort ein, inszeniert sich in seiner blauen Zivilschutzjacke, Helm auf dem Kopf, als zupackender Katastrophenretter – und pflegt, so die Staatsanwaltschaft, ein undurchsichtiges Netzwerk von „befreundeten“ Unternehmern.
Doch Bertolaso meint, da sei einfach nichts gewesen. Kann er etwas dafür, wenn sein Schwager lukrative Aufträge erhielt? „Mein Schwager ist einfach gut. Soll er, bloß weil er mit mir verwandt ist, nur noch in der Schweiz arbeiten?“, kontert Bertolaso. Und zu der himmlisch schönen Massage fällt ihm bloß ein, da sei ihm „womöglich eine Falle gestellt“ worden. Die Ausrede dürfte er von seinem Chef Silvio abgekupfert haben. MICHAEL BRAUN