: „Da heißt es digital oder gar nicht“
KINO Welche Folgen hat die Digitalisierung für engagierte Programmkinos? Christian Suhren vom fsk über Popcornprofite und Filme, die nicht mehr auf Polyester in Rollen, sondern per Festplatte vertrieben werden
INTERVIEW ANDREAS BECKER
Das Kreuzberger fsk-Kino gibt es seit 21 Jahren, zunächst an der Wiener Straße gelegen, im heutigen Wild At Heart. Seit 1994 betreibt das Fünferkollektiv seine beiden Säle mit insgesamt 164 Plätzen am Oranienplatz. Das Kino bekam schon diverse Preise für sein Programm, spezialisiert ist es auf französische Filme. Außerdem betreiben die fskler mit ihrer Firma Peripher auch einen eigenen Verleih. Welche Konsequenzen hat die Digitalisierung für ein engagiertes, aber nicht profitables kleines Kino? Droht ohne Förderung etwa ein neues Kinosterben? Andreas Becker sprach mit Christian Suhren vom fsk. Er ist Vorführer, Pressearbeiter, Computerfreak, Einkäufer, Kartenabreißer, Programmheftmacher. Das Programm suchen alle fünf zusammen aus.
taz: Herr Suhren, wie läuft Ihr Kino?
Christian Suhren: Wir kommen irgendwie über die Runden. Filme, die schwieriger sind, sind eher die, die supergut laufen. Extrem ist immer gut. Normalerweise ist Winter immer günstig. Dieses Jahr aber nicht, wenn überall Eis und Schnee liegen, kommt auch weniger Publikum. Wir verkaufen auch mal Snickers oder Bier, aber das Wesentliche ist der Eintritt. Popcorn, was ja die Gelddruckmaschine der anderen ist, verkaufen wir gar nicht. Wir alle können den Geruch von Popcorn nicht ab. Für das Zeug braucht man einen eigenen Staubsauger, den man auf den Rücken schnallt.
Was bedeutet die zunehmende Digitalisierung fürs fsk?
Das bedeutet einerseits, dass man mehr Möglichkeiten hat: dass es jetzt Filme gibt, auf die man früher keinen Zugriff gehabt hätte. Andererseits kriegt man manchmal nur noch eine DVD in die Hand gedrückt. Was wesentlich schlechter ist. Das machen wir meist auch nicht. Das geht höchstens bei sprechenden Köpfen. Besser wird es bei anderen Datenträgern mit höherer Auflösung, dann ist das gleichwertig zum analogen Material. Wir haben jetzt einen neuen Beamer. Der hat zwar noch nicht die DCI-Norm, auf die sich die Hollywood-Studios geeinigt haben, ist aber besser als jeder Heimbeamer. Der hat gebraucht zirka 3.000 Euro gekostet, käme neu aber etwa auf das Zehnfache.
Könnten Sie auch Filme per Satellit empfangen?
Da träumen sie immer alle von. Bis jetzt spielt der Satellit noch fast keine Rolle. Es wird einfach eine Festplatte rumgeschickt.
Wie funktioniert die Fehlererkennung? Bei einer Filmrolle bemerkt man doch sicher eher Problemstellen.
Das ist natürlich höchst unhaptisch. Man sieht der Datei nicht an, ob sie okay ist. Man muss sie schon durchlaufen lassen. Andererseits ist es auch unproblematischer, mal eben eine neue Kopie zu machen.
Spüren Sie da einen Verlust?
Ja, das ist schon was grundsätzlich anderes, wenn’s losknattert. Wenn man hört, ob der Film richtig läuft. Aber es ist auch einfacher, nur auf den Knopf zu drücken. Das ganze Koppeln, Entkoppeln, Kleben, Hochschleppen der Rollen – die wiegen ja schnell mal bis zu 30 Kilo – ist Arbeit. Manchmal sind die Rollen vertauscht, kommen in der falschen Reihenfolge an.
Wer profitiert denn nun von der Digitalisierung?
Für die Verleiher ist das natürlich schon vorteilhaft. Die Kopien kosten Geld, sind schwer im Transport, müssen gelagert werden. Da sind Daten schon viel praktischer. Bei Massenstarts mit 600 Kopien sind nach ein paar Wochen nur noch 50 unterwegs. Aus den anderen machen sie Gitarrenplektrons oder was weiß ich. Eine einzelne Kopie mit Untertiteln kostet über 3.000 Euro.
Die Projektorräume lagen zu Beginn des Kinowesens immer zur Straße hin, damit die Feuerwehr schnell löschen konnte. Das dürfte jetzt überflüssig werden.
Früher, als es noch Nitrofilm gab, war das eine gefährliche Sache. Heute reißt das nicht mal mehr. Jetzt ist der Film aus Polyester. Was man von früher kennt – das Bild friert ein und wirft Blasen, verbrennt langsam – das gibt’s nicht mehr. Höchstens der Projektor wird zerrupft. Früher wurden die Projektorlampen mit Kohlestücken befeuert. Man hatte was hoch Brennbares und hantierte mit Feuer.
Hat die Digitalisierung auch die Bedingungen für Ihren Peripher Verleih verändert?
Bisher machen wir noch brav unsere Filmkopien. Unsere Kinos spielen eigentlich noch alle 35 Millimeter. Viele können aber, ähnlich wie wir, auch digital spielen. Eine Ausnahme dieses Jahr: Wir werden „The Exploding Girl“ als Festplatte rumschicken. Der amerikanische Weltvertrieb bietet nichts anderes an. Man kann von einer digitalen Version auch eine Kopie herstellen, das ist aber sehr teuer. Da heißt es, digital oder gar nicht.
Ist es für Sie ähnlich wie der Schritt von der Schallplatte zur CD? Ist „digital besser“ oder „kälter“?
Das ist schon vergleichbar. Es ist nicht kälter, aber glatter. Wenn es funktioniert. Keine Staubkörner, man sieht keine Fusseln. Es gibt kein Wackeln mehr. Es ist schon was anderes. Früher hatten wir eine Leinwand mit kleinen Löchern für den Ton, und da gab es so merkwürdige Effekte mit den Pixeln, dass einem die Löcher richtig auffielen. Analoge Projektoren gingen nicht kaputt. Es hat sich auch nicht viel an der Technik geändert: Man kann sich einen Film aus den 20ern immer noch ansehen. Die Kosten für einen Digitalprojektor betragen so ab 50, 60.000 Euro. Unser Projektorraum ist dafür zu klein. Das Einfachste ist noch das neue Loch in der Wand. Die Belüftung muss erneuert werden. Bei uns ist gar kein Platz für einen zweiten Projektor. Denn für eine Übergangszeit braucht man zwei. Natürlich ist das nie eingeplant worden.
Der Vorschlag von Kulturminister Neumann, 300 Millionen Euro Förderung bereitzustellen, wurde von den Multiplexketten torpediert. UCI verweigerte die Zahlung der Filmförderabgabe. Neumann sprach vom Versuch der Marktbereinigung durch die Großen. Könnten Sie ohne Förderung überhaupt investieren?
Nein. Von selbst könnten wir das niemals finanzieren. Nicht ohne Förderung. Das bringt uns ja auch keine Mehreinnahmen, sondern nur Kosten. Es soll jetzt 3 Millionen Euro Förderung für kleinere Kinos geben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das nur annähernd reicht. Wir könnten nicht mehrere zehntausend Euro selbst tragen. Aber wir haben es auch nicht so eilig damit. Solange es weiter 35-Millimeter-Kopien gibt.