: „Wir sind ein solidarischer Bezirk“
PORTRÄT Ihr Hobby ist Kommunalpolitik. Das passt: Heute wird Monika Herrmann Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg
■ Der Bezirk: Friedrichshain-Kreuzberg ist der flächenmäßig kleinste Bezirk Berlins, zugleich ist er aber am dichtesten bewohnt. 251.000 Menschen leben hier laut dem jüngsten Zensus. Die Grünen stellen die stärkste Fraktion im Bezirksparlament. Ihnen steht deshalb das Amt des Bezirksbürgermeisters zu. Bisher war das Franz Schulz, der nun aus gesundheitlichen Gründen früher in den Ruhestand geht.
■ Die Frau: Monika Herrmann wurde 1964 geboren, wuchs in Neukölln auf und lebt heute in Kreuzberg. Mitte der 1990er Jahre trat sie den Grünen bei. Die Politikwissenschaftlerin arbeitet seit 26 Jahren im Bezirksamt, zuletzt als Stadträtin für Familie, Gesundheit, Kultur und Bildung. Neben Angelika Schöttler (SPD) aus Tempelhof-Schöneberg wird sie die zweite weibliche Bezirksbürgermeisterin Berlins.
VON SEBASTIAN ERB
Monika Herrmann ist eine Frau, die gerne kommuniziert. Tagsüber sowieso, und auch abends im Bett klappt sie ihren Laptop auf und schaut, was die Zeitungen auf ihren Webseiten veröffentlicht haben. Manches verlinkt sie dann auf ihrer Facebook-Seite. Mit „DAS ist nur noch peinlich“ kommentierte sie einen Artikel, der von fehlendem Geld für die Inklusion in Berliner Schulen handelt. Und zu einem über das Energie-Volksbegehren schrieb sie nur: „!!!!!!!!!!!!!!!“ Wird sie angetwittert, antwortet sie auch.
Heute Abend wird die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Monika Herrmann zur Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg wählen, im August tritt die 48-Jährige ihr Amt an. Ihre Art zu kommunizieren will sie dann beibehalten und sich nicht in Talkshows sitzend in die Integrationsdebatte einmischen wie etwa ihr Kollege Heinz Buschkowsky (SPD) aus Neukölln. Denn das sei doch nur populistisch und bringe nichts.
In Neukölln ist Herrmann aufgewachsen, in einem politischen Elternhaus: „Es wurde morgens, mittags und abends über Politik gesprochen.“ Sie ging auf eine katholische Schule, an der FU war sie dann in Unigruppen aktiv. „Mein Zugang in die Politik war Feminismus“, sagt sie.
Um aber etwas zu erreichen, habe sie einfach in eine Partei gemusst. Es wurden die Grünen. Und nach Kreuzberg zog sie ein einfacher Grund: „Ich hatte keine Lust auf Redeschlachten mit meinem Vater.“ Der saß nämlich in den achtziger Jahren in der Neuköllner BVV. Später war er auch im Abgeordnetenhaus, ebenso ihre Mutter – beide für die CDU.
Monika Herrmann ist schon rein äußerlich eine Grüne. Sie trägt gerne ein grünes Jackett, ihre Umhängetasche ist grün, die Teekanne in ihrem Büro. Inhaltlich bespielt sie den linken Flügel der Partei. Schwarz-Grün? Unvorstellbar. Sie ist auch für eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Mit der Bundesspitzenkandidatin ihrer Partei, Katrin Göring-Eckardt, ist sie folglich nicht so richtig glücklich.
Aber nach Friedrichshain-Kreuzberg passt sie mit ihren Ansichten ganz gut.
Noch als Studentin fing sie als Mitarbeiterin der Frauenbeauftragten von Kreuzberg an und machte im Bezirksamt Karriere. Seit 2006 ist sie Bezirksstadträtin. Nur einmal stand sie vor dem Absprung auf die Landesebene. 2011 war das, als kurz über Rot-Grün verhandelt wurde, Staatssekretärin für Jugend hätte sie werden können. Aber es kam ja dann sowieso alles anders, koalitionstechnisch. Und heute ist sie ganz froh darüber.
Im Bezirk, sagt sie, könne man doch viel mehr erreichen. Schon länger war klar, dass sie Nachfolgerin von Franz Schulz werden soll. Weil der nun früher in den Ruhestand geht, muss auch sie früher ran.
Aber allzu viel soll sich gar nicht ändern. Sie wird sich weiter um „Familie, Gesundheit, Kultur und Bildung“ kümmern. Für Finanzen soll ihre Parteifreundin Jana Borkamp zuständig sein, die neu als Stadträtin anfangen wird. Für die Stadtentwicklung Umweltstadtrat Hans Panhoff, ebenfalls von den Grünen. Die seien schließlich Fachleute auf diesen Gebieten, Borkamp arbeitet in der Finanzverwaltung, Panhoff hat Stadt- und Regionalplanung studiert. Monika Herrmann strebt nicht nach vollständiger Kontrolle. Sie wolle gar nicht „die kleine Königin Monika“ werden, sagt sie.
Im Gegensatz zur Bundeskanzlerin habe sie als Bezirksbürgermeisterin auch keine Richtlinienkompetenz. Für sie ist das durchaus ein Stück Freiheit.
Denn selbst wenn sie „Kommunalpolitik“ in ihrem offiziellen Lebenslauf als einziges Hobby nennt, will sie nicht alles dem Amt unterordnen. Sie will sich nicht das Wochenende mit Terminen zupflastern, und die Akten lässt sie im Büro. Sie will, dass noch Zeit bleibt für ihre Partnerin und die Familie. Fürs Theater oder das Oderbruch, Freunde von ihr haben da ein Haus.
MONIKA HERRMANN
Veränderung im Bezirk
Aber sie weiß schon, dass sie in Zukunft zu allem gefragt werden wird, was den Bezirk angeht. Und dass sie da aufpassen muss. Denn was die Bürgermeisterin sagt, hat Gewicht, egal ob es um eines ihrer Kernthemen geht oder nicht.
Wie sich ihr Bezirk verändert, das merkt Monika Herrmann auch privat. Sie wohnt um die Ecke der Bergmannstraße, dort hat sie sich eine Wohnung gekauft, als man sich das noch leisten konnte. Und heute könne sie dort ohne Voranmeldung nicht mehr in ein Restaurant gehen: „Ich fange jetzt an, zu Hause Tische zu reservieren. Das ist schon schräg.“ Sie lacht.
Und wird schnell ernst. Denn ihr ist klar, dass Gentrifizierung und steigende Mieten die Themen der kommenden Jahre sein werden. Dass sich die Interessen von Investoren und Mietern vereinbaren lassen, glaubt sie nicht. Aber sie stellt auch Forderungen an die Zuzügler: Die Leute sollen sich bewusst für Friedrichshain-Kreuzberg entscheiden und Teil der Gemeinschaft werden.
Beim Thema Integration will sie vor allem auf das „Warum“ schauen. Und es geht ihr um das Grundsätzliche: „Wir sind ein solidarischer Bezirk.“ Und in dieser Hinsicht könne ganz Berlin durchaus etwas von Friedrichshain-Kreuzberg lernen, davon ist sie überzeugt. Und wenn es sein muss, wird sie darüber auch in einer Talkshow sprechen.