Aus dem Dunstkreis heraus

VON KLAUS JANSEN

Der hagere Mann zeigt sich nur noch selten. Auf SPD-Veranstaltungen etwa hält sich der 57-Jährige meist im Hintergrund, steht rauchend auf dem Vorplatz wie zuletzt in der alten Zinkfabrik in Oberhausen. Etwas unbeteiligt wirkt er, wie ein Zuschauer. Dabei steht die Partei wieder „voll und ganz an der Seite von Hans Kremendahl“, beteuern die Genossen. Wieder.

Hans Kremendahl hat spätestens am 11. Oktober 2004 gewusst, dass ihn die Sache noch einmal einholt. Es war der Tag, nachdem er sein Amt als Oberbürgermeister von Wuppertal verloren hatte – abgewählt und gemieden von den eigenen Parteigenossen. „Der Spendenskandal hat eine große Rolle zu meinen Lasten gespielt“, sagte Kremendahl damals. Danach war außerhalb der Stadtgrenzen von Wuppertal nicht mehr viel von ihm zu hören. Er verbringt seither viel Zeit zu Hause.

An diesem Mittwoch wird sich das ändern. Vor dem Dortmunder Landgericht wird der Prozess um die so genannte „Kremendahl-Affäre“ neu aufgerollt. 13 Verhandlungstage sind angesetzt, um zu klären, ob sich Hans Kremendahl als Stadtoberhaupt hat bestechen lassen – weil er seinen Wahlkampf im Jahr 1999 mit einer 500.000-Mark-Spende des Bauunternehmers Uwe Clees hat finanzieren lassen, der in Wuppertal gleich mehrere Großprojekte plante. Und weil diese Spende nicht korrekt im Rechenschaftsbericht der SPD verbucht wurde.

Der Prozess sorgt für Aufmerksamkeit, viele Journalisten haben sich akkreditiert. „Aber es sind nicht so viele wie damals in Wuppertal“, sagt Gerichtssprecher Arnim Sabrowsky. Damals, im Jahr 2002, wurde Kremendahl vom Amtsgericht seiner Heimatstadt freigesprochen und der Spender Clees zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Weil der Bundesgerichtshof aber nicht so recht daran glauben wollte, dass es einen Bestecher, nicht aber einen Bestochenen gibt, hob er das Urteil im Herbst 2004 auf. „Die auffallende Höhe der Spende“ dürfe nicht außer Acht gelassen werden, hieß es in der Begründung. Der Fall wurde nach Dortmund verwiesen, um ihn aus dem „Wuppertaler Dunstkreis“ heraus zu bekommen.

„Von untadeligem Ruf“

Wer Hans Kremendahl danach fragt, was er von dem neuen Verfahren erwartet, bekommt keine Antwort. Gerne würde er reden, sagt er, seine Sicht der Dinge erklären. Aber sein Anwalt hat ihm geraten, die Öffentlichkeit zu meiden. Für die Verteidigung geht es darum, sich vor dem Prozess auf das für sie Wesentliche zu konzentrieren. Die Argumentation geht ungefähr so: Kremendahl habe Clees nie bevorteilt, er habe sich nicht persönlich bereichert, die Spende nicht einmal selbst angenommen und auch nicht gestückelt. Das hätten andere getan.

Hans Kremendahl war eigentlich nicht dafür vorgesehen, das Symbol für den Filz in der nordrhein-westfälischen SPD zu werden. 1967 war er von Wuppertal nach West-Berlin gezogen, um Politikwissenschaft zu studieren. 1976 promovierte er dort am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität, arbeitete als Assistenzprofessor und habilitierte sich 1979, ebenfalls in Berlin. Noch wichtiger aber: Er wurde 1981 Mitglied der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und Landesgeschäftsführer seiner Partei (1985). Ab 1989 war er Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, nach der Wende, ab 1991, Staatssekretär für Wirtschaft und Technologie – und das alles, ohne sich durch seine Arbeit für die traditionell zwielichtige und mit der Verwaltung mehr als eng verbandelte Berliner SPD sein Ansehen zu ruinieren. „Er war ein Mann von untadeligem Ruf und hoher Sachkompetenz“, sagt sein Weggefährte, der langjährige Wuppertaler Stadtsprecher Ernst-Andreas Ziegler.

Kremendahls Ansehen mehrte sich noch, als er 1996 den Job des Wuppertaler Oberbürgermeisters übernahm. In der Bauverwaltung des seit über 30 Jahren SPD-regierten Rathauses herrschte eines der am weitesten gesponnenen Korruptionsnetze des Landes. Beamte ließen sich schmieren, und der unbelastete Kremendahl gab den Krisenmanager. „Er hat den Saustall unbarmherzig ausgemistet“, sagt sein Freund Ziegler. Der damals noch nicht mal 50-jährige Kremendahl war Hoffnungsträger, Saubermann, „einer der kompetentesten Oberbürgermeister Deutschlands“, sagt Ziegler. Bis Clees kam.

Uwe Clees plante den Bau eines so genannten Factory Outlet Centre, und damit die Politik diesem Plan wohlgesonnen gegenüber stehe, spendete er. Vor der Kommunalwahl 1999 gab er nicht nur 500.000 D-Mark an Kremendahl, sondern auch 125.000 an dessen Herausforderer Hermann Josef Richter (CDU). Es war Wahlkampf. Richter plakatierte, und Kremendahl plakatierte noch mehr. Eine Kampagne „im Bundesligaformat“ soll Clees dem Oberbürgermeister bei Rotwein versprochen haben. Ernst-Andreas Ziegler sagt, er habe Kremendahl damals davon abgeraten, einen Hochglanz-Wahlkampf zu führen. „Das passte nicht zu einem sozialdemokratischen Oberbürgermeister“, so Ziegler. „Stammwähler, die an jeder Ecke ein Breitwandplakat mit ihrem Kandidaten sehen, fühlen sich da schnell angewidert.“ Einigen SPD-Funktionären sei „der Gaul durchgegangen“, sagt Ziegler. Es habe „Abnutzungserscheinungen“ gegeben wie bei jeder Partei, die in einer Stadt zu lange an der Macht sei.

SPD hofft auf Freispruch

Kremendahl gewann die Wahl 1999 und gab später dennoch zu, einen „politischen Fehler“ begangen zu haben. Ob er einen juristischen Fehler begangen hat, müssen nun die Dortmunder Richter klären. Hat Kremendahl Clees bevorzugt? Hat er von der Stückelung der Spende gewusst? „Er ist ein reformierter, pietistischer Wuppertaler“, sagt sein Weggefährte Ziegler. Hans Kremendahl hätte so was einfach nicht gemacht, meint er.

Auch die Landes-SPD hofft auf einen Freispruch für Kremendahl. Vergessen ist die Zeit 2004, als man ihn dazu drängen wollte, auf eine neue Kandidatur als Oberbürgermeister zu verzichten. Als Kremendahl in Düsseldorf zur unerwünschten Person erklärt wurde. Als man die Verhältnisse in Wuppertal als einen der Gründe für den langsamen Machtverlust der SPD in Nordrhein-Westfalen ausgemacht hatte. Vergessen ist auch, was NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek am Tag nach der Kommunalwahl 2004 mit Blick auf Kremendahls Abwahl und den Machtverlust in Wuppertal erklärt hatte: „Der Wähler honoriert nur klare Aufräumaktionen.“

„Die Vorgänge von 1999 sind für uns Vergangenheit“, sagt Michael Groschek heute. Kremendahl habe für seine Fehler bereits politisch bezahlt. „Er hat schon jetzt eine Rechnung beglichen, die völlig überhöht war.“