: Castor-Chaos nach Gerichtsurteil
ATOM Das Zwischenlager Brunsbüttel hat keine Genehmigung mehr. Dabei war es ein wichtiger Baustein im Endlagersuchgesetz
VON BERNWARD JANZING
Das Endlagersuchgesetz der Bundesregierung droht endgültig zu scheitern: Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager in Brunsbüttel aufgehoben. Damit zerbröseln die Pläne von Bundsumweltminister Peter Altmaier (CDU), denn an dem schleswig-holsteinischen Kraftwerksstandort sollte ein Großteil der Castor-Behälter eingelagert werden, die ab 2015 aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield zurückerwartet werden.
Die Bundesregierung und die niedersächsische Landesregierung hatten sich bei der Einigung über ein Endlagersuchgesetz im März darauf verständigt, im Zwischenlager Gorleben keine weiteren Castoren mehr einzulagern, um keine neuen Fakten für ein Endlager im nahen Salzstock zu schaffen. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg kamen Niedersachsen zugleich entgegen und erklärten sich bereit, Behälter aufzunehmen. Nachdem nun jedoch Brunsbüttel ausfällt, ist ungeklärt, wohin der Strahlenmüll stattdessen verfrachtet werden soll. SPD und Grüne pochen seit Monaten darauf, dass auch ein unionsgeführtes Bundesland ein Zwischenlager für den Atommüll öffnet – doch vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern im September stellen sich die betroffenen Landesregierungen stur.
Nach Erkenntnissen des Gerichtes in Schleswig wurde der Schutz gegen terroristische Angriffe in Brunsbüttel nicht ausreichend geprüft. Der Hamburger Klägeranwalt Ulrich Wollenteit, der einen Anwohner vertritt, prognostiziere gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, es werde sehr aufwendig, wenn das Urteil rechtskräftig werde. Denn dann sei eine neue Genehmigung erforderlich und es würden neue Gutachten gebraucht.
Atomkraftgegner werteten das Urteil gestern als Backpfeife für die Autoren des Endlagersuchgesetzes. „Wenn ausgerechnet Brunsbüttel als Zwischenlager entfällt, dann bricht der brüchige Atommüll-Konsens schon vor der Verabschiedung des Gesetzes zusammen“, sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Der Nachweis einer sicheren Entsorgung des Atommülls sei faktisch futsch. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace rief die Bundesländer zum Boykott des geplanten Endlagersuchgesetzes auf, das eigentlich nächste Woche vom Bundestag und am 5. Juli vom Bundesrat verabschiedet werden sollte.
Umweltverbände erneuerten ihre Forderung, die noch laufenden deutschen Meiler schnell abzuschalten, um die Menge des Atommülls nicht noch weiter anwachsen zu lassen: „Die Produktion weiteren Atommülls muss endlich untersagt werden“, forderte Raimund Kamm vom Forum Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik in Augsburg.
So herrscht nun in Deutschland Entsorgungsnotstand, und die Politik ist ratlos: „Wo soll der Müll denn hin? Wir können ihn doch nicht auf die Straße stellen“, sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD).