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Archiv-Artikel

Tschechien will deutschen Müll nicht

Deutsche Entsorger haben tausende Tonnen von illegalen Abfällen nach Tschechien geschafft. Der tschechische Umweltminister bat seinen Kollegen Gabriel inzwischen um Amtshilfe. Doch der fühlt sich nicht zuständig: Abfallentsorgung sei Ländersache

aus Prag ULRIKE BRAUN

Tschechien versinkt im deutschen Dreck: Tausende Tonnen unerlaubt gelagerte Abfälle aus der Bundesrepublik sind das neueste Ärgernis im deutsch-tschechischen Grenzverkehr. Umweltminister Libor Ambrozek hat inzwischen seinen deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel um Hilfe in dieser schmutzigen Angelegenheit gebeten.

Gestern traf der tschechische Beschwerdebrief im Berliner Umweltministerium ein. Allerdings hat man dort nicht den Eindruck, dass man den Nachbarn weiterhelfen kann. „Der Vollzug des Abfallrechts ist Ländersache“, erklärte ein Sprecher. Man werde den grenzüberschreitenden Müllverkehr aber sicher auf dem nächsten Arbeitstreffen der deutschen Umweltminister besprechen.

Ohne Hilfe seitens der Deutschen kommen die Tschechen mit den illegalen Müllimporten nicht mehr zurecht. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine neue unerlaubte Müllhalde oder ein weiterer Lastwagen mit einer Ladung unerwünschter Abfälle entdeckt wird. Die tschechische Umweltinspektion schätzt, dass die deutschen Nachbarn schon 15.000 Tonnen Müll bei über 600 illegalen Transporten eingeschleust haben.

Erst einmal im Land wird der Abfall auf unerlaubten Müllhalden gelagert. Das Muster ist immer das gleiche: Mit Hilfe von tschechischen Strohmännern mieten Deutsche leer stehende Gehöfte oder Ställe, um dort ihren Müll zu deponieren. Allein in den vergangenen Wochen haben tschechische Zöllner zwölf solcher Müllkippen entdeckt.

Die Affäre kam ins Rollen, als Anfang des Jahres vier Lastwagen der Haller Verwertungsgesellschaft Dux entdeckt wurden. Zöllner fingen die Transporter ab, als sie gerade einen verlassenen Bauernhof im nordböhmischen Örtchen Libčeves anfuhren. „Offiziell hatten sie gebrauchtes und gereinigtes Plastik deklariert, was zwecks Recycling erlaubt gewesen wäre“, erläutert Jiří Turek von der tschechischen Umweltinspektion (CIZP). „Tatsächlich hatten sie ungefähr 3.000 Tonnen Hausmüll geladen.“ Die wild zusammengeworfenen Reste von Textilien, Papierabfällen und gebrauchten Dosen wollte Tschechien Anfang Februar zurück nach Deutschland abschieben. Nur fing der Müll mittlerweile zweimal Feuer, sodass inzwischen nichts mehr übrig ist, was zurück an den Absender gehen kann. Angeblich handelte es sich in beiden Fällen um Brandstiftung.

Zu lohnen scheint sich das Geschäft mit dem Abfall allemal. „Das neue deutsche Abfallgesetz motiviert die Verwertungsgesellschaften offensichtlich, den Müll illegal nach Tschechien zu bringen“, glaubt Jana Samková vom tschechischen Umweltministerium. Ab dem 1. Juni 2005 muss Hausmüll entweder verbrannt, oder aber die organischen Bestandteile müssen kompostiert werden. Nur was übrig bleibt, darf auf die Müllhalde. „Wird der Abfall aber illegal nach Tschechien eingeführt, spart die deutsche Seite einen beträchtlichen Teil ihrer Kosten ein“, meint Samková.

Auf illegale Mülltransporte steht allerdings in Tschechien eine Strafe in Höhe von bis zu 300.000 Euro. Gesetzlich ist es innerhalb der EU derzeit sowieso streng verboten, Müll zur Endlagerung oder Verbrennung aus dem Land seines Ursprung auszuführen. Im Februar 2005 verbot Umweltminister Libor Ambrozek daher Pläne der Münchner Recycling, jährlich 6.000 Tonnen Abfall in einer Müllverbrennungsanlage im nordböhmischen Liberec zu verbrennen. Seit in Deutschland das neue Abfallgesetz gilt, ist die Müllverbrennung in Tschechien um die Hälfte billiger.