: Berliner WASG wählt sich kurz und klein
Der Parteitag beschließt, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus gegen die Linkspartei.PDS anzutreten. Nur eine Urabstimmung, die morgen anläuft, kann die Entscheidung noch kippen. Bundesspitze schließt Scheitern der Parteifusion jetzt nicht mehr aus
AUS BERLIN ASTRID GEISLER
Nach fünf Stunden verlassen die Verlierer den Saal und nageln trotzig eine Banderole an die Wand. „Initiative Rixdorf für eine Neue Linke“, steht darauf. Auf dem Stadtplan liegt Rixdorf wenige Planquadrate südlich von diesem schmucklosen Seniorenheim in Kreuzberg, wo sich die Berliner WASG zum Parteitag versammelt hat. In der politischen Geografie der Linken trennt Rixdorf allerdings fortan eine Welt von der Position, die der Landesparteitag mit 91 zu 39 Stimmen soeben beschlossen hat: Die Wahlalternative soll im Herbst gegen die PDS in den Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus ziehen.
Dieses Ergebnis war keine Überraschung. Trotzdem wirken die Anhänger der Initiative Rixdorf erschüttert. Sie kämpfen für das, was die Bundesspitzen von WASG und Linkspartei wollen – eine bundesweite Fusion der Linken und auf dem Weg dorthin gemeinsame Listen bei allen Landtagswahlen. Nun haben sie es schriftlich: Gerade einmal 39 der 142 Delegierten in der Hauptstadt stützen diesen Kurs. 91 stellen sich dagegen.
„Dieser Beschluss ist fatal“, sagt Ruben Lehnert, Vorstandsmitglied der WASG Berlin: „Ein Alleinantritt gegen die Linkspartei bewirkt die Spaltung der Linken in Berlin.“ Neben ihm steht Christine Buchholz, als Berlinerin im Bundesvorstand der WASG. Sie zieht hastig an ihrer Zigarette. Eben noch hat Buchholz den Delegierten im Saal einen Appell der baden-württembergischen Parteifreunde verlesen: „Wir bitten euch, aus Rücksicht auf die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg keinen eigenen Wahlantritt zu beschließen.“ Ein solcher Kurs würde „großen Schaden für die Landtagswahlen anrichten“.
Die Gegner in der eigenen Partei erreichen solche Warnungen längst nicht mehr. Sie feiern sich stattdessen für die heftigsten Angriffe auf die PDS und den rot-roten Senat in Berlin. Ganz vorn dabei Lucy Redler, WASG-Landesvorständlerin und Mitglied der trotzkistischen „Sozialistischen Alternative“ (SAV). „Wir brauchen keine Partei, die sonntags vom Sozialismus redet und montags Sozialabbau betreibt“, ruft sie den Delegierten zu. Dafür gibt es donnernden Applaus.
Draußen auf dem Flur haben Redlers Freunde von der SAV einen Büchertisch mit politischen Lehrmaterial aufgebaut – Trotzkis Werke „Dritte Internationale nach Lenin“ oder „Von der Oktoberrevolution bis zum Brester Friedensvertrag“ zum Beispiel. Nach Auswegen aus der Beziehungskrise von WASG und Linkspartei wird man darin vergeblich suchen. Aber die Mehrheit im Saal will ja sowieso ohne die „neoliberale“ Schwesterpartei weiterziehen.
Die WASG-Bundesspitze reagierte gestern entrüstet auf das Berliner Votum: Der Landesverband habe eine „folgenreiche politische Fehlentscheidung“ getroffen und ein „gravierendes Hindernis“ für die Fusion errichtet, donnerten die Vorstände Klaus Ernst und Thomas Händel. Selbst in den Chefetagen von Linkspartei und WASG halte man „ein Scheitern des Parteibildungsprozesses nicht mehr für ausgeschlossen“. Ein Berliner Alleingang gefährde zudem die Arbeit der Bundestagsfraktion.
Die WASG-Spitze macht nun Druck auf die Basis – denn die ist ihre letzte Hoffnung. 820 Berliner WASG-Mitglieder dürfen von Dienstag an in einer Urabstimmung sagen, ob sie den Separatistenkurs ihres Landesverbands unterstützen. Das Ergebnis soll am 8. März feststehen. Es könnte das Votum des Parteitags umwerfen. Das wäre allerdings eine mittlere Sensation.
Was aber, wenn die Sensation ausbleibt? „Wir werden uns im Wahlkampf nicht gegen die Linkspartei stellen“, sagt Buchholz vom Berliner WASG-Bundesvorstand. Wo die Unterstützer der PDS-freundlichen Rixdorfer Initiative stattdessen stehen werden, wenn der Wahlkampf beginnt, will bisher keiner prophezeien. Doch die Anzeichen sind unmissverständlich. „Aus meiner Sicht“, sagt Fusionsbefürworter Felix Lederle, „ist die WASG schon gespalten“.