: Seehofer fordert Vogelgrippe-Zentrale
Da die Landkreise bei der Bekämpfung der Tierseuche überfordert sind, will der Bundesagrarminister nun eine zentrale Koordinierungsstelle einrichten. Auch Verbraucherschützer fordern, die Seuchenbekämpfung auf Bundesebene zu bündeln
VON HANNA GERSMANN
Seuchenbekämpfung soll Chefsache werden. Mittlerweile ist die Vogelgrippe in vier Bundesländern nachgewiesen. „In den Leitentscheidungen brauchen wir unbedingt eine stärkere zentrale Kompetenz“, resümierte der CSU-Bundeslandwirtschaftsminister am Sonntagabend in der ARD. Leitentscheidungen – was heißt das denn?
Das ließ Seehofer bislang offen. Auch seine Mitarbeiter wussten auf Nachfrage der taz keine Antwort. „Das wird gegenwärtig im Haus geprüft“, sagt eine Seehofer-Sprecherin. Demnächst, so versprach sie, würden „die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt“. Derweil hatten sich die Agrarminister von Baden-Württemberg und Brandenburg, Peter Hauk (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), bereits per Radiointerview zu Wort gemeldet: Beide wollen keine Kompetenzen an den Bund abgeben.
Kompetenzengerangel am Tag zwölf der Vogelgrippe in Deutschland: Schon seit Tagen werfen sich Politiker von Bund, Ländern und Kreisen im Kampf gegen das Virus H5N1 gegenseitig Versäumnisse vor. Tote Schwäne blieben liegen, Schutzanzüge fehlten, Absperrungen auch: Die Generalprobe auf der Insel Rügen sah nicht gut aus. „Wir mussten Desinfektionsmittel erst in Apotheken bestellen“, dikitierte der Amtsleiter von Rügen-Nord, Karl-Heinz Walter, der Nachrichtenagentur dpa ins Mikrofon. Es habe alles viel zu lange gedauert, auch wegen der „Ohnmachtsbürokratie“. Seehofer konstatiert nun: Die „globale Infektion“ lässt sich „nicht mehr beherrschen mit Klein-Klein“.
Für die Seuchenbekämpfung sind derzeit die Landkreise oder Städte zuständig. Die Veterinärbeamten nehmen von Hühnern, Enten oder Schwänen Proben. Diese werden im Landesuntersuchungsamt grob getestet. Verdächtige Proben werden weitergeschickt – an das Referenzlabor des Bundes, das Friedrich-Löffler-Institut auf der Ostseeinsel Riems. Erst dort kann genau analysiert werden, ob das Tier mit H5N1 infiziert war. Im besten Fall liegt der Befund innerhalb einer Woche vor, nachdem die Probe genommen wurde. Bestätigt sich H5N1, wird um den Fundort eine zehn Kilometer weite Schutzzone ausgerufen. Veterinärbeamte sperren das Gebiet ab und legen Desinfektionsmatten aus. „Das ist wie ein Feuerwehreinsatz“, sagt Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherorganisation Foodwatch. „Da weiß jeder, was er zu tun hat.“
Also alles bestens? „Mitnichten“, sagt Wolfschmidt. Es gäbe ein „Kompetenzenwirrwarr“. Die Dienstaufsicht über die Veterinärämter haben nämlich die Landräte. Und diese, so sagt der Verbraucherrechtler, hätten ihre „eigenen lokalpolitschen Interessen“. Etwa um keine Touristen abzuschrecken, hielten sie Informationen so lange wie möglich zurück. Oder sie forderten zu spät Hilfe an. Derzeit muss ein Landkreis Katastrophenalarm auslösen, wenn er das Land um Unterstützung bitten will.
Wolfschmidt fordert eine „unabhängige Seuchenbekämpfung, die auf Bundesebene koordiniert wird“. Sein Tipp für Seehofer: „Zentrale Materialstellen einrichten“ – als Umschlagplatz für Schutzanzüge oder Desinfektionsmittel. Diese könnten so innerhalb eines Tages in jede Region Deutschlands gebracht werden. Das rechne sich, meint Wolfschmidt: „Dann muss nicht gleich die Bundeswehr ausrücken.“