Sprengel Museum: : John Mawurndjul: „rarrk“
In globalisierten Zeiten scheint es dringlicher denn je, das nationale Profil im internationalen Kulturaustausch-Geschäft zu schärfen. Das gilt gerade für die Kunst des fünften Kontinents. Während die zeitgenössischen „weißen“ Artisten down under sich mit einem Touch britischen Humors am internationalen Markt angedockt haben, geht das Sprengel Museum einen ethnologischen Schritt beiseite – und präsentiert die weltweit älteste ungebrochene Kulturtradition. Erste bekannte Äußerungen, Gravuren in Felsgalerien, mögen über 20.000 Jahre alt sein. Sie bilden die Inspirationsquelle für Aborigine- Künstler John Mawurndjul, der nun mit der ersten Retrospektive seines Werkes in Europa geehrt wird.
Mawurndjul ist Körperbemaler für Initiationsriten. Mit dem Vokabular unserer Kulturindustrie ist das nicht einzuschätzen, mit ihren Mitteln aber durchaus zu vereinnahmen. Da wird vielfach geschwärmt von Mawurndjuls spirituellem Zugang zur Malerei, dem fremden Ausdrucksgestus seiner globalisierungsfernen Kultur, die sich mit ihren ureigenen Mitteln gegen die apartheidähnliche Diskriminierung in Australien wehrt.
Die dankenswerterweise sehr schlichte Präsentation der Ausstellung ermöglicht, von all der exotischen Verklärung abzusehen. Mawurndjuls Arbeiten sind ein Beispiel für den einzig originären künstlerischen Ausdruck, den Australien bis heute hervorgebracht hat: den eigenständigen Umgang der Ureinwohner mit ihrer überlieferten Ikonographie. Mawurndjul wurde 1952 dort geboren, wo er heute noch als Jäger, Fischer, Sammler und Künstler lebt, auf dem Gebiet seines Klans Kurulk im nordaustralischen Arnhemland. Die Farben der Kunst sind die der Heimat: gemahlene Steine, die in allen Ockertönen von Gelb über Rot bis Braun changieren; das Schwarz wird aus Holzkohle, das Weiß aus Ton gewonnen.
Mawurndjuls Kunst erzählt von der allmächtigen Regenbogenschlange und von Ahnen wie den Mimih-Figuren, die ihm zur künstlerischen Meisterschaft verholfen haben sollen. Für unsereinen aber wie Munch-Wesen ohne Schreimund ausschauen. Während die Donner- und Blitzgeister als Untote direkt einem Horrorfilm entsprungen sein könnten. Alle Figuren werden in die Bildfläche gequetscht, so dass es zu enormen Unförmigkeiten kommt. Wir sehen geheimnisvolle Zeichen eines Gegenuniversums zur globalisierten Alltagswelt. Eigenwillig setzen sich die reich strukturierten Körperflächen der Figuren aus einem Form- und Farbenspiel kleinteiliger Schraffuren zusammen, die man „rarrk“ nennt – was der Sprengel-Ausstellung den Titel gibt. fis
Di 10–20, Mi–So 10–18 Uhr; bis 5. 6.