: „Die Mauer bringt‘s nicht“
Benutzt die Leitung der JVA Oslebshausen Übergriffe auf Häftlinge um Sicherungsmaßnahmen durchzusetzen? – Kritiker sehen rechtswidrige Zustände im Jugendvollzug
Bremen taz ■ Asche auf ihr Haupt schüttete gestern die Leitung der JVA Oslebshausen. Ein „extremes Sicherheitsproblem“ gebe es in dem Gefängnis, sagte der stellvertretende Leiter des Jugendvollzugs, Michael Kümmel, zu Radio Bremen. Mehrfach pro Woche würden Drogen, Alkohol und Messer über die Anstaltsmauer nach innen geworfen, zudem gebe es häufig „Schlägereien und andere Auseinandersetzungen“. Kümmel forderte deshalb schärfere Sicherheitsvorkehrungen, unter anderem eine Erhöhung der Außenmauer.
Johannes Feest, Leiter des Strafvollzugsarchivs an der Universität Bremen, nennt dies „unglaublich“. Die Forderung nach einer Erhöhung der Mauer sei „ein alter Hut“. Bisher habe es immer geheißen, die alte Mauer erleichtere Ausbrüche. Dass massenweise gefährliche Gegenstände über die Mauer ins Gefängnis gelangten, sei ihm in dieser Form neu. Offensichtlich, so Feest, würde die aktuelle Diskussion von der Gefängnisleitung instrumentalisiert, um ihr Bauprojekt durchzusetzen.
Lisa Lutzebäck, Sprecherin des Justizsenators, widersprach dieser Darstellung. „Schon immer“ seien sowohl die Ausbruchsicherheit als auch der Schmuggel als Gründe für die geplante Erhöhung benannt worden. Zudem sei die alte Mauer sanierungsbedürftig. Zwar würden Bremer Häftlinge „nicht häufig“ flüchten, dennoch dürfe kein Risiko eingegangen werden. Ein zusätzlicher Drahtzaun im Inneren werde zwar ebenfalls angestrebt, könne eine neue, höhere Außenmauer aber nicht ersetzen, so Lutzebäck.
„Die Mauer bringt‘s nicht“, meinte hingegen der Bremer Rechtsanwalt Gerhard Bänsch, Sprecher des „Kriminalpolitischen Arbeitskreises“. Der deutlich günstigere Drahtzaun reiche völlig aus. Wer dann noch etwas hineinwerfen wolle, müsse „schon olympiareif“ sein, die Ausbruchsicherheit sei ebenfalls gewährleistet. Viel drängender seien hingegen Nachbesserungen im Jugendvollzug. Dieser war zunächst nur als Übergangslösung nach Oslebshausen gekommen, ist nun aber dauerhaft dort angesiedelt. Die gesetzlich geforderte institutionelle Trennung sei nicht gewährleistet, zudem gebe es nur unzureichende pädagogische Angebote. Etwaige Gelder sollten hier verwendet werden. Dies würde auch die Gewalt eindämmen.
Kürzlich war bekannt geworden, dass einem Häftling im Februar drei Zehennägel herausgerissen wurden – laut eigener Aussage von ihm selbst. Lutzebäck: „Auch wenn man sich das gar nicht vorstellen kann: Der Mann besteht weiter darauf, dass er das selbst war.“ Ihm seien umfassende Schutzmaßnahmen angeboten worden, um ihm eine etwaige Aussage zu erleichtern. Der Häftling sei jedoch bis zum Donnerstag bei seiner Version geblieben. Nun müsse das Ergebnis von DNA-Untersuchungen abgewartet werden. Im Zusammenhang mit dem Vorfall hatten Rechtspolitiker von CDU und SPD Anfang der Woche die Videoüberwachung von Teilen der JVA vorgeschlagen. Gewalttaten sollten so eingedämmt werden.
Sprecher der gefängniskritischen „KnastKampagne“ wiesen den Vorstoß zurück. „Das Gefängnis als Institution ist bereits gewalttätig. Übergriffe unter Gefangenen werden dadurch überhaupt erst hervorgebracht. Noch mehr Kontrolle bringt da gar nichts.“ Die Aktivisten warnten in diesem Zusammenhang vor weiteren Privatisierungen von Gefängnissen, wie kürzlich in Hessen: „Durch den Profitzwang würden die Zustände in den Knästen noch viel schlimmer werden.“ Christian Jakob