: „Mobilität kostet Geld“
ÖFFENTLICHER PERSONENNAHVERKEHR Die Piraten werben zum Wahlkampfauftakt für Trams ohne Ticket
■ 44, Elektroingenieur, ist seit 2012 Vorstandssprecher der BSAG, Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und Vorsitzender von dessen Landesgruppe Nord. Nach Bremen gewechselt war er von der Rostocker Straßenbahn AG, wo er als Azubi begann und bis in den Vorstand aufstieg.
taz: Herr Eisenberg, heute ist ÖPNV-Tag in Bremen – eine gute Sache?
Wilfried Eisenberg: Ja. Sich ein großes Fahrzeug mit einem Fahrschein zu teilen, ob das nun ein Bus ist oder eine Straßenbahn, das ist die beste Form von Car-Sharing. Das finde ich natürlich super.
Also unterstützten Sie diesen ÖPNV-Tag?
Wir zeigen unsere Leistung wie an jedem Tag.
Eigentlich soll die Veranstaltung ja für einen fahrscheinlosen ÖPNV werben. Eine gute Idee?
Das ist die Forderung der Piraten-Partei. Das Problem ist aber: Mobilität kostet Geld. Wie dieses Geld zusammenkommt, ist eine politische Entscheidung. Wenn die Stadt Bremen den ÖPNV kostenlos anbieten wollte, müsste das ungefähr 25 Euro pro Einwohner kosten.
Wie beim Semester-Ticket für Studierende müsste jeder 25 Euro zahlen?
Ja, nach heutigem Stand. Das würde natürlich manchem als ungerecht erscheinen, die zu Fuß gehen oder Rad fahren oder ihr Auto nutzen. Das Semester-Ticket zeigt aber, dass es Segmente gibt, wo man sich auf solche Flatrates einigen kann.
Besonders Familien mit mehreren Kindern ärgern sich über die hohen Monatskarten kosten, knapp 40 Euro.
Kinder bis zum sechsten Lebensjahr sind frei. Ob man für Größere auch mehr rabattieren kann, das ist eine politische Entscheidung. Immerhin ist der Schulweg mit Bus und Bahn der sicherste.
Das müsste auch der Steuerzahler subventionieren?
Klar. Oder die Kosten müssten umgelegt werden auf die anderen Nutzer.
Wenn die Idee eines „fahrscheinlosen“ ÖPNV umgesetzt würde, würden Sie auch die Kosten für die Schwarzfahrer-Kontrollen sparen.
Das wird häufig überschätzt. Wir rechnen mit zwei oder drei Prozent erhöhtem Beförderungsentgelt. Viele haben eine Dauerkarte, auch durch das Semesterticket sind die Kosten da nicht groß.
Sie arbeiten seid über 25 Jahren im ÖPNV-Sektor: Haben Sie über die Idee „fahrscheinlos“ ernsthafte politische Gespräche erlebt?
Ich kenne das aus meiner DDR-Zeit. Da war der sehr geringe Fahrscheinpreis damit verbunden, dass keine Investitionen getätigt wurden.
Wenn die BSAG die Beförderung fahrscheinlos anbieten würden, mit wie vielen zusätzlichen Fahrgästen würden sie rechnen?
Ich kann das nicht abschätzen.Wir sind derzeit bei 103 Millionen Fahrgästen im Jahr. Das ist eine sehr gute Zahl: 1990 waren es in Bremen erst 90 Millionen. Das ist durch Netzausbau gelungen und weil die Bürger umsteigen. INTERVIEW: KAWE
Ab 11 Uhr in der City, ab 15 Uhr auf dem Marktplatz: Wahlkampf-Eröffnung der Piraten mit der Aktion „fahrscheinlos“