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Archiv-Artikel

Sag an der Grenze „Vreemdelingenzaken“!

Einwanderer in die Niederlande müssen vorher die Sprache und das holländische Eisenbahnnetz auswendig lernen

BRÜSSEL taz ■ Seit gestern müssen alle, die in die Niederlande einwandern wollen, vorher in ihrem Heimatland einen Sprach- und Kulturtest ablegen. Nur wer den besteht, darf in das Königreich auswandern. Das Projekt geht auf einen Vorschlag von Integrationsministerin Rita Verdonk von der liberalen Partei VVD zurück.

Migrationswillige können diesen Test ab sofort in den niederländischen Botschaften in 138 Ländern ablegen. Es werden sowohl Sprachkenntnisse als auch Wissen über die niederländische Gesellschaft überprüft. Der Kandidat muss zum Beispiel wissen, wer Wilhelm von Oranien war. Es geht auch um Fragen wie: „Wird Tee mit kaltem oder warmem Wasser zubereitet?“ oder: „Wie lange dauert eine Zugfahrt von Amsterdam nach Enschede?“ Kostenpunkt für die Immigranten: 350 Euro.

Der Test war bis zuletzt umstritten und linke Parteien sowie einige Wissenschaftler sehen das Projekt sehr skeptisch. Die Technik sei noch nicht ausgereift. Der Sprachcomputer verstehe die Antworten nicht immer richtig, beklagten zum Beispiel die Grünen. André Krouwel von der Amsterdamer Freien Universität sieht den Test als Teil der Den Haager „Anti-Islam-Politik“: „Die Integrationsministerin heißt zwar so, aber sie tut genau das Gegenteil“, meint der Soziologe.

Tatsächlich hat die niederländische Mitte-rechts-Koalition in den vergangenen Monaten zahlreiche Gesetze auf den Weg gebracht, die Einwanderung erschweren und die „niederländischen Werte“ zu einer Leitkultur machen sollen. So forderte Ministerin Verdonk zum Beispiel, dass auf Schulhöfen nur noch Niederländisch gesprochen wird. Imame sollen in Zukunft überhaupt kein Einreiserecht mehr bekommen. Sprachkurse im Land sind für Einwanderer schon seit den späten Neunzigerjahren verpflichtend.

Seit dem Mord an dem islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh im November 2004 lässt die bislang sprichwörtliche Toleranz der Niederländer zu wünschen übrig. „Wir sind nicht toleranter als andere. Wir wählen auch rechtsextreme Parteien, und es gibt auch in Holland Rassisten. Wir sind eben ein ganz normales Land“, sagt André Krouwel. Tatsächlich gelang zum Beispiel dem inzwischen ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn bei den Kommunalwahlen vor vier Jahren ein Überraschungssieg – vor allem mit seiner Forderung nach einem sofortigen Einwanderungsstopp.

So weit ist es noch nicht. Die Niederlande verschließen nicht ihre Türen, aber es wird immer schwerer, die Schwelle zu überschreiten. Und das wissen auch die Betroffenen. Die Zahl der Einwanderungsanträge stieg in den vergangenen Tagen stark an. Denn wer seinen Antrag vor Mittwoch eingereicht hat, muss den Test nicht machen.

Offenbar ist der Test niederländischer als so mancher Niederländer. Ein Fernsehsender testete kurz vor Neujahr ein paar Prominente damit. Kaum einer erwies sich als einwanderungstauglich. KLARA ROSENBACH