DANIELA WEINGÄRTNER ZUM GEPLANTEN EU-ABKOMMEN GEGEN PRODUKTPIRATERIE : Ad Acta
Produktpiraterie verursacht enormen wirtschaftlichen Schaden und kann lebensgefährlich sein – zum Beispiel, wenn schlecht abgekupferte Elektrogeräte in Flammen aufgehen oder Medikamente die falsche Mixtur enthalten. Deshalb scheint ein internationales Abkommen, das den Fälschern den Kampf ansagt, auf den ersten Blick eine gute Sache zu sein. Bei näherer Betrachtung aber sieht es so aus, als sei das geplante EU-Abkommen Acta ein Schuss ins Leere.
Das kann man allerdings nur vermuten, denn nur Bruchstücke gelangen aus Brüsseler Hinterzimmern nach draußen. Seit 2005 wird darüber verhandelt. Doch erst seit 2008 werden immerhin die Teilnehmer und die Tagungsorte bekannt gegeben, und seit letztem Jahr bekommt die Öffentlichkeit die Agenda und kurze Zusammenfassungen zu sehen. Inzwischen wollen fast alle Vertragsparteien die Verhandlungen öffentlich machen. Doch das Veto der USA, Südkoreas und Singapurs sorgt dafür, dass die Geheimniskrämerei weitergeht.
Unabhängig davon, ob Acta den europäischen Datenschutz aushöhlen kann oder Softwarepatente und erweiterte Haftung für Internetprovider einführen will, stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Sinn der Veranstaltung. Problemländer wie Russland, die Türkei oder China, wo Unternehmen im großen Stil Produkte fälschen, sitzen überhaupt nicht mit am Verhandlungstisch. Und das EU-Parlament, das am Ende dem Ergebnis zustimmen muss, ist ebenfalls nicht einbezogen.
Die vielen hundert Stunden, die hochkarätige Juristen und vielbeschäftigte Beamte seit 2005 auf Acta-Konferenzen verbracht haben, kann ein einfaches Nein des EU-Parlaments zunichtemachen. Einer entsprechenden Resolution stimmten bereits 633 der 736 Abgeordneten zu. Vor vollendete Tatsachen lassen sich die Parlamentarier nicht mehr so leicht stellen. Das haben sie bei der Ablehnung des Bankdatenabkommens mit den USA bereits unter Beweis gestellt.
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