: Ein Gang schöner als der andere
NABENSCHAU Wenn eine Schaltung erzählen könnte – kann sie aber nicht. Deshalb haben das ihre Produzenten und Fans übernommen – in einem Buch mit 14 Gängen
Die Rohloff-Geschichten sind schwergewichtig und großformatig. Das Buch, edel aufgemacht, wird in Fahrradläden verkauft oder über Rohloffs Online-Shop, Abteilung Accessoires, wo auch 3-D-Postkarten oder Tassen mit Firmenlogo zu haben sind. Ein PR-Produkt, eindeutig – allerdings ein außergewöhnliches. Nicht nur, weil das, was Unternehmen gemeinhin kostenlos abgeben, hier 15 Euro kostet. Nicht nur, weil der Hauptteil des Buches von rund 50 Kunden der Firma bestritten wird. Von Testimonials, wie man in der Werbebranche sagt.
Das Buch ist so außergewöhnlich, weil seine wirkliche Hauptfigur ein technisches Produkt ist, das 14-gängige Fahrradgetriebe Speedhub 500/14. Ein Gegenstand, den die Mehrheit der Menschheit kaum als weltbewegend einstufen dürfte. Und doch: Die Lobgesänge der Nutzer sind zwar gewaltig, gleichwohl authentisch und nachvollziehbar. Alle haben ihre Nabe wenigstens 60.000 Kilometer gefahren, im alltäglichen Stadtverkehr oder auf einer Fahrrad-Weltreise. Die Speedhub hat sie nicht im Stich gelassen. Dennoch muss sich dabei etwas abgespielt haben. Man scheint erfahren zu haben, dass in der Edelnabe nicht nur eine ausgeklügelte Anordnung von Ritzeln steckt. Nicht nur Öl, sondern auch Herzblut. So was verbreiten viele Hersteller. Warum es Rohloff abgenommen wird, könnte auch an der Geschichte der Nabe und ihrer Hersteller liegen.
Die Geschichte begann vor 24 Jahren: 1986 als Kleinstbetrieb gegründet und 2003 in die Rohloff AG umgewandelt, ist das Unternehmen ein Familienbetrieb geblieben, heute bestehend aus den drei Rohloffs – Vater, Mutter, Sohn –, knapp 50 Mitarbeitern und einem blitzsauberen Ruf: Aufgestiegen aus der Idylle eines Kasseler Hinterhofs zu einem der wenigen deutschen Fahrradkomponentenhersteller mit Weltniveau.
Mit Fahrradketten fing es an, unter Vielfahrern und Profisportlern galten sie bald als nahezu unverschleißbar. Die Nische hätte man ein klein wenig ausbauen und in ihr ganz kommod werkeln können. Aber Bernhard Rohloff, Jahrgang 1950, seit 1980 Diplom-Ingenieur, hatte anscheinend nur eins im Kopf: konstruieren, tüfteln, erfinden. Am liebsten einen neuen Antrieb für Fahrräder. Er und seine Frau begaben sich auf die Suche nach Kreditgebern, gingen dabei fast unter und schafften es Ende 1996, die gesamte Fahrradwelt mit einer Ankündigung zu überraschen: demnächst eine Hochleistungs-Getriebenabe! 14 Gänge, voll verkapselt und wartungsfrei, einige Pfund schwer, überaus leicht zu handeln. Viele sollen sich an die Stirn getippt haben: Der Bernie, Ketten kann er ja, aber eine 14-gängige Nabenschaltung? Wie soll das gehen?
Es ging tatsächlich nicht so einfach. Die Banken, noch skeptischer als die Fachkreise, zickten und zockten, und so konnte erst 30 Monate später die Serienproduktion anlaufen. Seitdem wird die Speedhub 500/14 ohn’ Unterlass zusammengeschraubt, 2009 ist die Nummer 100.000 ausgeliefert worden. Glaubt man der Branche, die längst ganz anders redet, hat sich die Nabe allein aufgrund ihrer Qualität durchgesetzt. Was das bedeuten könnte, lassen die detailgenauen Zeichnungen vom Innenleben der Nabe erahnen. Eine hochkomplexe Mechanik, für den Laien so faszinierend wie verwirrend. Sogar die FAZ, ein eher fahrradfernes Medium, hat dem Hightech-Getriebe ihren Segen erteilt. „Für gutes Geld“ erhalte man „unerreichten Schaltkomfort“.
Nun ja, billig ist das Produkt gerade nicht. Mit 1.000 Euro muss gerechnet werden. Die in den Rohloff-Geschichten zu Wort kommende Kundschaft meint unisono: gut angelegtes Geld. Und begründet das manchmal schlicht und einfach: „Die Speedhub ist wirklich eine geniale Entwicklung!“
Trotzdem: Ein informatives Buch, sogar ein ausgewogenes. Der Herausgeber gibt das Gewicht mit 1,3 Kilo an, etwas weniger als eine serienmäßig montierte 500/14. Die macht das Fahrrad – inklusive Schaltgriff und Zuggegenhalter – um ungefähr 1,8 Kilo schwerer.
HELMUT DACHALE