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Archiv-Artikel

KLAUS-HELGE DONATH ÜBER DIE BÜRGERMEISTERWAHL IN MOSKAU Putin hat sich verrechnet

Die Ergebnisse der Bürgermeisterwahl in Moskau werden das Land verändern, und zwar langfristig.

Die Hauptstadt bestätigte den Kremlkandidaten Sergei Sobjanin im Amt. Doch nur etwas mehr als ein Prozent bewahrten den Technokraten vor einer Stichwahl mit dem Oppositionsführer Alexei Nawalni. So jedenfalls lautet das offizielle Wahlergebnis. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es nicht von den Regierenden manipuliert worden ist.

Nach offiziellen Angaben also erhielt der Antikorruptionsblogger Nawalni mehr als 10 Prozent mehr Stimmen, als Umfragen im Vorfeld prognostiziert hatten. Damit hat Russland nun einen per Wahl legitimierten Oppositionsführer.

Der Kreml hatte exakt das Gegenteil im Sinn, als er Nawalni zur Wahl antreten ließ. Er wollte den charismatischen Politiker auf sein „wahres Maß“ zurechtstutzen lassen. Stattdessen kann der Kreml nun nicht mehr behaupten, es gebe ja keinen legitimen Ansprechpartner aufseiten der Opposition.

Vor allem aber wurden die kremlnahen Bürger, die davon überzeugt sind, die Machthaber würden die Sache auch ohne ihre Stimme schon schaukeln – worauf die niedrige Wahlbeteiligung beruhte –, von den 27 Prozent für Nawalni auf ihre Plätze verwiesen.

Den in einem Schauprozess zu fünf Jahren verurteilten Putin-Gegner jetzt noch ins Lager zu stecken dürfte auch schwierig werden. Die Tausenden von Helfern, die ohne Medienzugang Hunderttausende in Moskau mobilisierten, dürften einer Verhaftung eher nicht tatenlos zusehen. Sie sind jene Kräfte, die das Fundament einer neuen politischen Organisation bilden könnten. Die fehlte der Opposition bislang.

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