DER UNTERSCHIED VON MODEBLOGGERN UND MODEJOURNALISTEN : Perfekt für die Beerdigung
VON OPHELIA ABELER
Warum gibt es überhaupt noch Modenschauen, wenn man sich alles im Internet angucken kann? Die Antwort: Damit Modeblogger in schrillen Klamotten sich davor drängen können, um sich von Konkurrenten fotografieren zu lassen. Die einen posten die Bilder, Unterschrift: Schaut mal, ich auf der Fashion Week! Die anderen posten: Schaut mal, wen ich auf der Fashion Week gesehen habe! Beide zählen übrigens mit, wie viele Leute sich das im Internet angucken, und es sind erstaunlich viele, dazu später mehr.
Das New Yorker Lincoln Center, wo unter anderem die New Yorker Philharmoniker zu Hause sind, wird zur Zeit so extrem von Mädchen in turmhohen Schuhen, ultrakurzen Röckchen und neonfarbenen Schultaschen belagert, dass man kaum durchkommt, wenn man tatsächlich hinein muss zur Mercedes-Benz Fashion Week. Die Jungs mit den riesigen Sonnenbrillen, Sandalen und darin leuchtenden buntlackierten Fußnägeln sind allerdings auch nicht ohne, wenn es darum geht, sich vor die Kameras zu schmeißen, vor allem, wenn es richtige Fernsehkameras sind. Manchmal sieht man einen schwarzgekleideten Musiker mit seinem Instrumentenkoffer vorbeihuschen und fühlt sich an eine lang vergangene Zeit erinnert, in der die Modeszene eher nach Geheimclub aussah, von Kopf bis Fuß in schwarz, cool und unnahbar. Damals gab es auch noch Einladungskarten per Post, oder für die Zugereisten per Bote ins Hotel, irre schick und exklusiv wirkte das.
Heute gibt es e-vites, die einen Barcode enthalten, den man vom Smartphone einscannen kann, um sein Ticket auf Kassenbonpapier auszudrucken. Mag sein, dass das „nouveau chic“ oder einfach nur umweltschonend und zeitgemäß ist. Dafür wedeln die wenigen, die noch gedruckte Einladungskarten erhalten haben, aber sehr ostentativ damit herum. Das klingt natürlich jetzt nach „früher war alles besser“ Gejammer. War es aber, aus journalistischer Perspektive, denn echte Modekritiker wie Suzy Menkes von der International Herald Tribune sterben aus. Menkes ist unbestechlich, Geschenke schickt sie an ihren Absender zurück, außer Blumen und Schokolade. Dafür schreibt sie einfach mal hin, wenn eine Kollektion Quatsch ist und läuft selber in Omaklamotten herum, Begründung: Es geht nicht um persönlichen Geschmack. Das klappt seit Jahrzehnten hervorragend, sie sitzt überall in der ersten Reihe.
Eine Bloggerkarriere verläuft anders, der Idealfall wird von einem „aus Chicago eingeflogenen“ jungen Mann so beschrieben: Du startest ein Blog, fotografierst dich jeden Tag und postest, wo du deine Klamotten gekauft hast. Du verlinkst andere Blogs mit deinem Blog, damit sie dich zurückverlinken. Du ziehst dich schrill an, fährst zur Fashion Week, lässt dich da noch mehr fotografieren und posten und stellst Leuten aus der Industrie dein Blog vor. Du zeigst denen, wie viele Leute an dir dranhängen, denen du lauter Zeug unterjubeln könntest. Außerdem bietest du Werbeflächen auf deinem Blog an.
Wenn es gut läuft, wird man zu den Shows eingeladen, bekommt Klamotten und Produkte zum „rezensieren“ geschenkt und muss endlich nicht mehr in Clownskostümen draußen rumstehen. Man darf was wirklich Schickes tragen, ein kleines Schwarzes etwa, das sich auch gut für Beerdigungen eignet. Die Beerdigung von Printmedien und unabhängigem Journalismus zum Beispiel. Suzy Menkes, Herald Tribune, Unbestechlichkeit und Omaklamotten hin oder her, ist übrigens alles andere als altmodisch.
Die Abendkleider von Zac Posen, Jurymitglied in Heidi Klums TV-Show „Project Runway“, kritisierte sie als etwas, das in seiner ungebrochenen Romantik mit dem Zeitalter des Smartphones nicht mehr zusammenzubringen sei. Die Bloggerin, die draußen vorm Lincoln Center von einer Chinesin gefragt wurde, ob sie sie fotografieren dürfe, fragte hingegen: „Ist das für Print?“ Als die Chinesin verneinte, sagte sie. „Dann habe ich keine Zeit, Internet kann ich selber.“
■ Ophelia Abeler ist Kulturkorrespondentin der taz in New York