: „Unser Programm gilt“
SPD Keine Angst vor der Basis, fordert Parteilinke Hilde Mattheis – auch wenn die Ergebnisse der Führung durchaus nicht passen könnten
■ 58, stammt aus Ulm und sitzt seit 2002 für die SPD im Bundestag. Sie ist Mitglied im Parteivorstand und Vorsitzende des Forums Demokratischer Sozialismus.
INTERVIEW ANJA MAIER
taz: Frau Mattheis, am Freitag gab es beim SPD-Konvent im Willy-Brandt-Haus fünf Stimmen gegen erste Sondierungsgespräche mit der Union. Waren Sie eine davon?
Hilde Mattheis: Ich habe mich für Sondierungsgespräche ausgesprochen. Denn ich halte es für wichtig, dass man nach demokratischen Wahlen mit allen Parteien redet.
Sie gelten als entschiedene Kritikerin einer Großen Koalition? Ist das jetzt überhaupt noch so?
Natürlich. Für unsere Partei ist die Große Koalition die weitaus schwierigste Option. Immerhin haben uns 25,7 Prozent der Wähler ihre Stimme gegeben, die wollen einen echten Politikwechsel, und denen sind wir weiter verpflichtet.
Sehen Sie nach dem Beschluss des Konvents überhaupt noch andere Optionen als Schwarz-Rot, um eine Regierung zu bilden? Sie haben unmittelbar nach der Wahl gesagt: „Keine Option darf mit einem Denkverbot belegt sein“.
Nach dem Wahlergebnis gibt es weiterhin die Option einer schwarz-grünen Regierung, die einer Minderheitenregierung, von Rot-Rot-Grün, und natürlich gibt es auch die Option der Neuwahl. Es liegt jetzt bei Frau Merkel, für sich eine Regierungsbildung hinzubekommen.
Sigmar Gabriel hat erklärt, die Union müsse sich entscheiden: Entweder führt sie mit den Sozialdemokraten Koalitionsgespräche oder mit den Grünen. Ist das strategisch klug?
In dieser Phase müssen wir als SPD uns entscheiden, welche Schritte wir gehen. Andere Parteien müssen das für sich entscheiden. Für uns sollte der nächste wichtige Schritt sein, nach den Sondierungsgesprächen zu beurteilen, ob und wie wir in Koalitionsgespräche gehen wollen. Und das Entscheidende dabei ist das „Ob“.
Wenn sich am Freitag in Berlin die Unterhändler treffen – welche Inhalte Ihrer Partei sind aus Ihrer Sicht absolut nicht verhandelbar?
Das Entscheidende ist und bleibt unser SPD-Regierungsprogramm. Deshalb gilt es jetzt, bis zum Freitag nicht über wichtige oder weniger wichtige Inhalte zu spekulieren. Das ist nicht der Auftrag für Sondierungsgespräche. Der Auftrag lautet: Unser Regierungsprogramm gilt.
Angenommen, der Konvent stimmt Koalitionsverhandlungen zu, und die Basis lehnt deren Ergebnisse ab. Welches öffentliche Bild der SPD entstünde dadurch?
Das einer Partei, die eine echte Mitgliederbeteiligung hinbekommt. Einer Partei, in der die Mitglieder in der Tat das letzte Wort haben. Wir haben uns seit 2009 auf diesen Weg begeben, wir brauchen uns jetzt wirklich nicht vor echten Mitgliederentscheiden fürchten. Ich glaube, wir müssen uns daran gewöhnen, dass eine echte Mitgliederbeteiligung womöglich auch ein Ergebnis bringen könnte, das die Mehrheit der Führungsmannschaft nicht möchte oder angestrebt hat.
Haben Sie keine Angst, dass das Erscheinungsbild der SPD leidet?
Nein. Ich habe davor keine Angst. Und ich denke, davor darf auch niemand in der Partei Angst haben.