: Unnötige Achsenlage und Sandwichtüren
Übertechnisierung und absurde Arbeitsorganisation sind die Hauptprobleme des Wolfsburger Konzerns
BERLIN taz ■ Bei Volkswagen dauert es im Schnitt doppelt so lange ein Auto zusammenzubauen wie bei den besten Konkurrenten. Und auch innerhalb des Konzerns gibt es erhebliche Unterschiede. Einen Golf montieren die VW-Beschäftigten am Stammwerk in Wolfsburg in 47 Stunden, in Emden brauchen sie für den Passat 54. Renault baut einen Megane im Werk Palencia in 17 Stunden.
Warum ausgerechnet Europas größter Autobauer auch der langsamste ist, ist innerhalb des VW-Konzerns kaum umstritten. „Die eine Hälfte dieser Nachteile beruht auf der aufwändigen Konstruktion der Produkte, die andere auf Abläufen und Prozessen in den Fabriken“, sagt VW-Markenchef Wolfgang Bernhard. Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh formuliert es etwas anders, meint aber dasselbe: Die Probleme seien „hausgemacht“ und auf eine „übergroße Technikverliebtheit“ zurückzuführen. Prozesse und Strukturen müssten „erst in Ordnung gebracht werden“.
Tatsächlich wirken manche Neuentwicklungen der letzten Jahre wie Schildbürgerstreiche. So bekam der Golf V eine Hinterachse, die den Wagen bei Tempo 90 in einer 90 Grad-Kurve halten soll – eine Situation, in die kaum ein Golffahrer kommt und für die er vor allem nicht extra zahlen will. Mehrkosten: mehrere 100 Euro. Die neuen Sandwichtüren verlängern wegen ihrer komplizierten Aufhängung die Montagezeit bis zu sechs Stunden.
Auch die 600 Millionen Euro teure Laserschweißanlage funktioniert nicht wie erwartet. Sie sollte Schweißnähte von 70 Metern am Stück ermöglichen. In der Realität sind die Bleche aber zu flexibel, die maximale Nahtlänge beträgt 17 Meter. Oft fällt die Anlage ganz aus.
Die hochspezielle Technik macht immer wieder Nacharbeiten nötig. Und weil die Qualitätskontrolle nicht in den Produktionsprozess eingebaut, sondern nachgeschaltet ist, laufen die wenigsten Wagen direkt vom Band in den Vertrieb. „Eine ganze Tagesproduktion steht auf den Parkplätzen rund um die Werke und wartet auf Nachbesserungen“, sagt Jörg Köther, Sprecher des IG-Metall-Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
Verbesserungen sind möglich, kommen aber oft spät. So fahren die Beschäftigten der „Auto 5.000 GmbH“ in Wolfsburg auf so genannten Skits mit einer Sammlung von Einzelteilen neben dem Montageband her. In anderen Werken müssen sie die Wege zu Fuß zurücklegen und die Teile aus einem fest installierten Regal holen.
„Vorschläge aus der Belegschaft warten zum Teil ein ganzes Jahr darauf, überhaupt geprüft zu werden“, so Köther. Viel Wissen über Produktionsabläufe bleibe so ungenutzt. Abhilfe sollte der Zukunftstarifvertrag von 2004 bringen. Darin vereinbarten VW und IG Metall, dass Verhandlungen zu einer „innovativen Arbeitsorganisation“ aufgenommen werden sollten. Zwei Jahre dauerte es, bis die betriebliche Rahmenvereinbarung jetzt fertig wurde. BEATE WILLMS