piwik no script img

Archiv-Artikel

Kabarett trifft Oper

Eine letzte Koloratur auf Rot-Grün. „Der Goldene Hahn“ im Oldenburgischen Staatstheater ist gekonnte Politikparodie

Es ist eine rätselhafte Frage, die der Regisseur Andreas Baesler vor der Premiere seiner Bearbeitung von Nicolai Rimskij-Korsakows Oper „Der Goldene Hahn“ in einem Interview gestellt hatte. „Gibt es hier nicht so eine Politikverdrossenheit und sogar die Prinzessin aus dem Osten?“ Doch wenn man sich die Bearbeitung anschaut, klärt sich das Rätsel: Während Rimskij-Korsakow ursprünglich mit dem Stoff – eigentlich ein Märchen von Puschkin – die Herrschaftsverhältnisse 1907 in Russland kritisierte, versucht Baesler eine 1:1-Übertragung in die jüngste deutsche Geschichte. Unschwer ist der müde Kanzler Schröder zu erkennen, bedroht von unzähligen Problemen, verwöhnt und gelenkt von seiner Doris, umgeben von seinen rivalisierenden Söhnen alias Joschka Fischer und Guido Westerwelle, kritisiert vom Zweifler Polkan, der mit rotem Schal auftritt, also den Müntefering. Und dann erscheint auch noch die Prinzessin aus dem Osten – klar, Angela Merkel.

Das Parodistische, ja Groteske und Absurde in der Musik macht es Baesler leicht, dass seine Bearbeitung aufgeht, sogar ohne jede intellektuelle Gewalt. Und der goldene Hahn, jenes helfend-warnende Orakel im Märchen, ist hier ein goldener Laptop, der am Ende tödlich auf den Kanzler fällt. Es gibt reichlich zu lachen in diesem Politkabarett.

Mit viel Sorgfalt und Detailliebe, mit absurden Wahlplakaten, verlogenen Pressekonferenzen und grotesken Parlamentssitzungen hat Baesler das Stück in unsere Zeit hereingeholt und den Untertitel „Grotesk-satirisches Märchen über reale Dinge“ ernst genommen. Sogar ein lädierter Hahn prangt als Adlersymbol über den politischen Sitzungen.

Schon die Konzeption der Aufführung ist kurzweilig, umso so schöner, dass es die Aufführung selbst auch ist. Baesler reiht, wie es das Kabarett erfordert, Einfall an Einfall, wenn „Merkel“ und „Schröder“ zu dem grandiosen Gustav-Mahler-ähnlichen Marsch die neuen Staatspapiere unterschreiben, wenn dem Kanzler mit Eieruhr und Spiegel sein ihm verhasstes, aber wirkliches Alter vorgehalten wird, wenn „Fischer“ und “Westerwelle“ Krawatten in den Parteifarben tragen, wenn das Parlament ob ermüdender Erklärungen einschläft und sonst ein anonym den jeweiligen Herrscher bejubelnder Haufen ist.

Besonders bemerkenswert ist es, dass es eine Operntruppe ist, die dieses kabarettistische Potenzial zu entfalten schafft: allen voran der Russe Juri Batukov, der eine Schröder-Parodie vom Feinsten liefert. Die Merkel-Königin von Irina Wischnizkaja setzt mit ihren orientalisierenden Koloraturen den sängerischen Höhepunkt des Abends. Die so reiche und häufig ungemein schnell die Stimmung wechselnde Musik erklingt unter der Leitung von Olaf Storbeck grell, bunt, klangschön und witzig: „Magier des Orchesters“ wurde der Komponist einst genannt, und genau das ist hier in seiner 15. und letzten Oper noch immer hörbar. Ute Schalz-Laurenze

Die nächsten Termine: 27. und 29. April, 11.,16.,18., und 26. Mai, 1.,11.,14., 16. und 21. Juni