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Archiv-Artikel

Schluss! Aus! Sense!

GENUG IST GENUG Die katholische Kirche löst sich endgültig auf

Der Dom zu Fulda wird eine Obi-Filiale, der Kölner Dom zu einer Paintball-Anlage

Als es schließlich so weit ist, kommt es dann doch ein klein wenig überraschend: Die katholische Kirche löst sich auf. Pünktlich zum Stichtag 24. Dezember 2010 werden sämtliche Gotteshäuser der Welt besenrein an ihre Nachmieter übergeben. Frei nach dem Motto „Kirchen zu Kegelhallen“ sind es zumeist Vergnügungseinrichtungen, deren Platzbedürfnissen die großzügig angelegten Kathedralen sehr entgegenkommen. Oft müssen Inventar und Name nur unwesentlich geändert werden: So wird aus dem Kölner Dom der „Killer Dome“, eine Paintball-Anlage, in der sich Bänke, Altäre und Beichtstühle hervorragend als Deckungen eignen. Und Notre Dame von Paris wird endlich wieder zu dem Edelpuff, dem sie ihren Namen ursprünglich verdankte. Ein Kreis schließt sich.

„Die Leute sind einfach nicht mehr so leichtgläubig“, erläutert Notküster Nagelmann, der uns in diesen letzten Tagen freundlicherweise Rede und Antwort steht. „Das ist schade, aber nun mal nicht zu ändern.“ Der Hilfskirchner mit den Spezialgebieten Ablass, Nachlass, Abwicklung und Entrümpelung empfängt uns am Tor des Doms zu Fulda, einer zukünftigen Obi-Filiale. Er schließt die Kirche ab und wirft den schweren Schlüssel in den Briefkasten, an den er einen gelben Post-it-Zettel heftet: „Bitte wie vereinbart die Kirchenmäuse füttern! Liebe Grüße, die Katholische Kirche.“

Auf dem Weg zur Heilandsklause, einer billigen Fuldaer Schwemme, erfahren wir mehr über die Ursache des raschen Endes. Der Hauptgrund liege bei den Gläubigen selbst, die ulkigerweise irgendwie zum Ursprung ihrer Religion zurückgefunden hätten: Nun glauben sie wieder an Gott statt an ehemalige Flakhelfer. „Ich habe keine Ahnung, warum, aber nach kaum 2.000 Jahren haben die Blitzmerker auf einmal festgestellt, dass sie dazu keine Kirche brauchen“, resümiert spöttisch der bereits ein wenig angetrunkene Gottesmann. „In dem Moment können wir natürlich sofort den Laden dichtmachen.“

Wir wagen einen Einwurf: Ob der Stimmungsumschwung eventuell mit dem mangelnden Modernisierungswillen der Kirchenführung und ihrer zunehmenden Entfremdung von der Basis zu tun haben könne? Immerhin feiere der Papst die Messe nach mittelalterlicher Tradition mit dem Arsch zu den Gläubigen, dabei Unverständliches murmelnd, von dem man nicht mal mehr hört, ob es sich um Latein handelt oder um Kalle-Blomquist-Geheimsprache. Außerdem bete er für die Erleuchtung der Juden und die Heilung der Homosexuellen – beides mit Hilfe des guten alten Scheiterhaufens. Protestanten seien nach wie vor verblendete Ketzer, Frauen schwanzlose Putzgeister und der schwarze Kontinent soll laut der päpstlichen Geheimschrift „De mortibus negorum coitus causae“ sowieso komplett verrecken. Und jetzt noch die ganzen Missbrauchs- und Misshandlungsfälle!

„Papperlapapp!“ Wütend speit Nagelmann aus. „Missbrauch, Misswahl, Mississippi! Da bringen die Medien doch einiges durcheinander“, verteidigt der fromme Mann seine Watschenheiligen mit kraftvollen Argumenten. Auch nach längerem Überlegen findet er nur eine Begründung für das plötzliche Aus: „Eine üble Schmierenkampagne von Schwulen, Freimaurern und Kommunisten!“

In der Heilandsklause ist der Teufel los. Es stinkt nach Schnaps, Schweiß und Resignation. Als sich unsere Augen endlich an das verqualmte Schummerlicht gewöhnen, sehen wir Priester in abgerissenen Talaren mit glanzlosem Blick über ihrem Bier zusammengesunken vor sich hin dämmern. Am Tresen macht uns Nagelmann mit dem Wackersdorfer Weihvikar Werner bekannt, dessen unrasiertes Gesicht frischer Schorf ziert. Sein wohl ehemals purpurnes Gewand starrt vor Straßenschmutz und Erbrochenem. „Ihr könnt Wicky zu mir sagen“, lallt er und leitet mit bäriger Lautstärke in eine Neiddebatte über die Zukunft des freigestellten Kirchenpersonals über: So hätten einige besonders skrupellose Bischöfe „lange vor dem Crash“ bereits gut dotierte Vorverträge als Boxtrainer oder JVA-Bedienstete unterzeichnet. „Die Ratten verlassen das sinkende Kirchenschiff“, bemerkt er bitter. Er selbst hingegen wisse noch nicht genau. Gebrauchtwagen, Immobilien oder „irgendwas mit Schweinen – auf dem Schlachthof des Herrn gibt es immer Arbeit!“

Was denn eigentlich mit den zahllosen Besitztümern der Kirche passiere, fragen wir Nagelmann. Sollte man die nicht den Gläubigen zurückgeben? „Keine Sorge, das Geld geht an die Ärmsten der Armen“, beruhigt uns Gottes Nachlassverwalter. Also an Hungernde in den Entwicklungsländern? „Nein, natürlich nicht. Die Ärmsten sind immer die, die die größten Schulden haben! Und wer hat die größten Schulden, na …?“, zwinkert uns der Notküster zu, um gleich darauf selbst die Antwort zu geben: „… die Großbanken!“

Zur Feier des Tages gibt es eine Runde Klosterfrau Melissengeist aufs Haus. ULI HANNEMANN