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Archiv-Artikel

Mit Betonwänden gegen den Terror im Irak

Ein findiger Geschäftsmann aus der kurdischen Stadt Erbil stellt Barrieren zum Schutz vor Autobomben und Selbstmordattentätern her. Damit hat er bereits viel Geld verdient. Und ein Ende des Booms ist derzeit nicht in Sicht

ERBIL taz ■ Sie tragen Namen wie Alaska, Nebraska oder New Jersey und sind so etwas wie das neue Wahrzeichen des Irak – die grauen Stellwände aus Beton zum Schutz vor Anschlägen. Sie werden an Straßensperren eingesetzt und bilden einen steinernen Kokon um Schulen, Krankenhäuser, Regierungseinrichtungen oder Hotels. Sie sind gewissermaßen das Thermometer für die Gefahr von Terroranschlägen: Umso näher man ihnen kommt, umso gefährlicher kann es werden. Unzählige Male haben die Betonwälle das Eindringen von Bombenlegern verhindert, und doch sind in ihrem Schatten hunderte von Irakern durch die Hand von Selbstmordattentätern gestorben.

Hergestellt werden die Schutzwände von der „77 Group Company“, einer Baufirma mit Sitz im kurdischen Erbil. Obwohl das Unternehmen mittlerweile zu den fünf Großen im Irak zählt, liegt die Firmenzentrale beinahe versteckt in einem unscheinbaren Bürogebäude im Zentrum der Stadt. Weder Schilder noch Betonwände weisen von außen darauf hin, dass in dem Haus einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Männer des Landes schalten und walten könnte.

An ein paar Wachen vorbei führen schäbige Treppen nach oben in einen Bretterverschlag. Dahinter residiert in einem kleinen Büro Herisch Mohammed Zijar Teijara. Der mit dunklen Möbeln und einer Ledercouch eingerichtete Raum strahlt Gediegenheit aus, doch jeder höhere Beamte hat mehr Platz. Teijara stört das nicht. Er hat geschafft, wovon viele andere Geschäftsleute im Irak nur träumen können. Binnen drei Jahren ist er zu einem der Topmanager des Landes aufgestiegen.

Angefangen hat der Elektroingenieur als Beamter bei den Stadtwerken von Salahaddin, dem Luftkurort im Norden von Erbil. Später stieg er zum Chef der Stadtwerke auf, doch das Beamtendasein war er nach ein paar Jahren leid. Mit etwas Grundkapital von der Familie gründete er eine Handelsfirma und stieg in den 90er-Jahren in den Öl- und Benzinhandel zwischen Bagdad und der Türkei ein. Der Handel war wegen des UNO-Embargos weitgehend illegal und wurde von Saddams Sohn Udai kontrolliert. Den hat der smarte Kurde sogar einmal besucht – als er nach einem Anschlag schwer verletzt im Krankenhaus lag. Der Schmuggel brachte so viel ein, dass Teijara später bei einer türkischen Baufirma einsteigen konnte, die heute auch 75 Prozent an der „77 Company Group“ hält, an der er mit 25 Prozent beteiligt ist.

Neben den Sprengschutzmauern ist die Firma vor allem im Brückenbau aktiv. Zu dem Unternehmen zählen auch mehrere Handelsgesellschaften, eine Baugeräte- und eine eigene Sicherheitsfirma. Die rund 100 Leibwächter seien alle erfahrene kurdische Kämpfer, sagt Teijara. Die größten Auftraggeber sind erwartungsgemäß die Amerikaner, vor allem die Halliburton-Tochter KBR, die ihre Aufträge von der Armee bekommt, und der Bauriese Bechtel. Im Schnelldurchlauf zählt Teijara die Orte auf, an denen sein Unternehmen schon tätig war: Tikrit, Beiji, Balad, Habbanija, Falludscha und Mossul. Es klingt wie das Alphabet der Untergrundhochburgen.

Das Unternehmen hat bisher Aufträge im Wert von rund 700 Millionen Dollar erhalten. Gut 3.000 Angestellten biete er ein geregeltes Einkommen, sagt Teijara. „Damit leisten wir einen enormen Beitrag zur Stabilisierung des Landes.“ Er ist sicher, dass die Gewalt nur dann in den Griff zu bekommen ist, wenn Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens hat auch Schattenseiten. Zwischen 25 und 35 Prozent des Gewinns würden durch die Ausgaben für Sicherheitsvorkehrungen verschluckt, sagt Teijara. Das könnte er noch verkraften. Das Schlimmste sei jedoch der Verlust von Menschenleben. Den dunkelsten Moment habe er vor rund eineinhalb Jahren erlebt, als bei einem Angriff von Untergrundkämpfern sieben Mitarbeiter getötet wurden. Ein türkischer Ingenieur wurde bei dem Überfall verschleppt und kam erst ein halbes Jahr später wieder frei. Bislang hat das Unternehmen 30 seiner Mitarbeiter bei Überfällen verloren, mehr als 50 wurden zum Teil so schwer verletzt, dass sie nie wieder arbeiten können. In solchen Augenblicken würde er am liebsten alles an den Nagel hängen, sagt Teijara. „Aber wir dürfen nicht aufgeben. Denn das ist doch genau das, was sie wollen.“

Auf dem Firmengelände am Stadtrand stapeln sich die Betonteile in allen Formen und Größen. Zwischen Kränen und Tiefladern werden hier neben Fertigteilen für den Brückenbau in riesigen Misch- und Gussanlagen auch die Betonstellwände mit den amerikanischen Namen produziert. Die Preise liegen bei 600 Dollar aufwärts, für eine Höhe von vier Metern mit viel Stahlanteil, wie sie bei Regierungsgebäuden verwendet werden, sind bis zu 1.500 Dollar fällig. Über ein Ende der guten Auftragslage macht sich Teijara keine Sorgen. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. INGA ROGG