piwik no script img

Archiv-Artikel

KÖHLER KRITISIERT STAAT UND KAPITAL, ABER ER IST KEIN GEWERKSCHAFTER Dreieck in Schieflage

Horst Köhler ist nicht in den DGB eingetreten. Er ist schon gar nicht Delegierter beim Kongress des Gewerkschaftsdachverbandes in Berlin. Dennoch hat er gestern Dinge gesagt, die, sagen wir, auch IG-Metall-Chef Jürgen Peters rauf- und runterbetet: Die hohe Gewinnquote der Konzerne stellte er der sinkenden Lohnquote der Arbeitnehmer entgegen. Er griff die Maßlosigkeit der Konzernmanager an, die nur noch den Shareholder Value im Kopf haben und zugunsten des Aktionärswohls freudig ihre Beschäftigten feuern. Köhler verlangte von den Führungspersönlichkeiten der Wirtschaft sogar eine „besondere Kultur der Mäßigung und Verantwortung“. Und er griff die Regierung in einem für einen Bundespräsidenten ungewöhnlich konkreten Maße an – nämlich im Versagen beim Abbau von Arbeitslosigkeit. Haben die Gewerkschaften in Horst Köhler einen neuen Freund?

Horst Köhlers – Linke sagen: neoliberales – Gedankengebäude besteht aus einem Dreieck von Akteuren: Staat, Arbeitgeber, Gewerkschaften. Das wurde auch bei seiner Rede vor den DGB-Delegierten deutlich und knüpft an seine „Vorfahrt für Arbeit!“-Pamphlete an. Alle drei Bausteine haben spezifische Aufgaben zu erfüllen: Der Staat sorgt dafür, dass die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung stimmen; die Arbeitgeber sorgen für dieses Wachstum und diese Beschäftigung – und die Gewerkschaften sorgen mit einer moderaten Lohnpolitik dafür, dass Wachstum und Beschäftigung eben nicht gefährdet werden.

Köhlers pessimistische Analyse zielte in diesem Dreieck auf zwei Akteure: Staat und Arbeitgeber. Nur diese funktionieren nicht so, wie es sich Köhler vorstellt. Der Staat nicht, weil es ihm bei der Rahmenbedingung „Lohnnebenkosten“ nicht gelingt, diese für die Arbeitgeber weiter zu senken. Und die Arbeitgeber funktionieren nicht, weil sie die Balance zum gewerkschaftlichen Angebot einer moderaten Lohnpolitik nicht halten können. Köhler sprach sich eben nicht für – Linke sagen: neokeynesianische – expansive Lohnpolitik aus. Im Gegenteil, Köhler setzt „moderate“ Löhne voraus. Die Freundschaft zwischen Gewerkschaften und Bundespräsident Köhler braucht daher noch ziemlich viel – Arbeit und Wachstum. THILO KNOTT