Energiewende selbst gemacht

GEBRAUCHSANWEISUNG Während die Energiewende in der Berliner Politik stockt, rückt das Engagement von unten wieder in den Blick. Doch wie geht das eigentlich: Energiewende von unten?

VON BERNWARD JANZING

Die Energiewende stockt, jedenfalls auf bundespolitischer Ebene. Das mag man bedauern, doch ursprünglich war der Umbau der Energiewirtschaft ohnehin kein Projekt der Regierung, sondern eines von engagierten Bürgern und Kommunen. Angesichts der zähen Fortschritte in Berlin ist daher die Zeit reif, sich wieder stärker auf die Bedeutung der Aktionen von unten zu besinnen.

Stromanbieter wechseln

Der Stromwechsel ist der einfachste Schritt der Wende: Formular ausfüllen, Zählernummer angeben – fertig. Dass Ökostrom teurer sein muss als Dreckstrom, hat sich längst als Mythos erwiesen; oft sind die Grünstromfirmen inzwischen sogar billiger als die Grundversorger. Wichtig bei der Wahl des Anbieters ist neben dem Einsatz des gesunden Menschenverstandes (also zum Beispiel keine Verträge abschließen, die Vorauszahlung für ein Jahr verlangen) der Blick auf das Unternehmen. Wie steht dieses zum Thema Atom- und Kohleausstieg? Denn nur die Anbieter, die nicht zur Atom- und Kohlewirtschaft gehören, können die Energiewende glaubhaft verkörpern.

Stromverbrauch senken

Auch in diesem Punkt sind die Ökostromkunden oft schon weiter fortgeschritten als die Durchschnittskunden – sie brauchen nämlich 20 bis 30 Prozent weniger Strom. Am sparsamsten sind die Kunden der Elektrizitätswerke Schönau (EWS), die im Jahr mit gut 2.400 Kilowattstunden pro Haushalt auskommen. Verglichen mit einem Otto-Normalverbraucher sparen die EWS-Kunden damit rund 300 Euro pro Jahr.

Aber wie kriegt man den Verbrauch runter?

Dass die EWS-Kunden die sparsamsten sind, dürfte kein Zufall sein. Schließlich gibt es die Broschüre Schönauer Strom- und Energiespartipps bereits in fünfter Auflage. Zusammen mit dem Bund der Energieverbraucher haben die EWS die Tipps zusammengetragen. Die Broschüre gibt es kostenlos im Internet.

Und wie erkannt man das Einsparpotenzial?

Die ärgerlichsten Verbräuche sind diejenigen, die als Stand-by-Verlust entstehen. Und da kommt viel zusammen, wenn man nicht aufpasst. Aber es gibt eine einfache Faustformel, die einen schnellen Überblick über die Existenz heimlicher Stromfresser verschafft: Ein Blick auf den Stromzähler vorm Schlafengehen, ein erneuter Blick nach dem Aufstehen – und schon ist man schlauer. Denn wenn in dieser Zeit mehr als eine Kilowattstunde durch die Leitungen geflossen ist, hat man Einsparpotenzial.

Wichtiger Beitrag: die Eigenerzeugung

Wo immer möglich, kann natürlich auch eine Photovoltaikanlage die Energiewende vorantreiben. Jedes zusätzliche Kilowatt auf dem Dach verdrängt vom ersten Tag an für Jahrzehnte Kohlestrom. Und wenn man dann einen Teil des Stroms noch selbst nutzt, lohnt sich das auch unabhängig von den Einspeisevergütungen. Auch für Firmen kann der Eigenverbrauch aufgrund der deutlich gefallenen Modulpreise heute attraktiv sein. Neben Solarstrom bietet sich in größeren Objekten natürlich auch ein Blockheizkraftwerk an. Auch hier gilt übrigens: Am besten ist immer der Einsatz zur Eigenversorgung, nicht nur mit Wärme, sondern auch mit Strom.

Apropos Wärme: Auch die gibt’s vom Dach

Ein Solarkollektor zumindest fürs Warmwasser ist schon mal ein guter Schritt. Bei der Frage, ob sich eine solche Anlage finanziell lohnt, rechnet allerdings jeder anders. Die Anlage lohnt sich aber in jedem Fall fürs Wohlbefinden – denn der Gedanke, an einem sonnigen Sommertag noch irgendeinen Brennstoff oder gar Strom zu verbrauchen, um Wasser zu wärmen, kann das Vergnügen deutlich trüben. Und wenn jemand fragt, wann sich Sonnenkollektoren amortisieren: Wann amortisiert sich die Investition in besonders schöne Badezimmerkacheln?

Dämmung: Mehr Transparenz absehbar

Drei Viertel des Energieverbrauchs im Haushalt entfällt auf die Raumwärme. Daher ist eine gute Wärmedämmung des Gebäudes das A und O einer geringen Heizkostenrechnung. Übrigens wird für Käufer und Mieter die Welt in dieser Hinsicht im nächsten Jahr transparenter: Durch die Novelle der Energieeinsparverordnung (EnEV) wird man künftig – wie man es von Anzeigen für Kühlschränke lange kennt – in allen Inseraten für Häuser und Wohnungen Effizienzklassen finden, deren Spektrum von A+ (sehr gut) bis H (miserabel gedämmt) reichen wird. Unangenehme Überraschungen bei den Nebenkosten dürften damit seltener werden.

Konsum mit Zukunft

Auch überlegter Konsum ist ein Thema mit großem Einsparpotenzial, denn auf Industrie und Gewerbe in Deutschland entfällt gut 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Entsprechend sind langlebige Güter ein wirkungsvoller Beitrag zur Energiewende. Und wer beim Kauf darüber hinaus noch auf eine zeitlose Ästhetik des Produktes achtet, hat die Energiewende bereits gut verinnerlicht. Denn alles, was funktionstüchtig in den Müll wandert, nur weil man es nicht mehr schön findet – ob Kleidung oder Möbel –, ist eine Verschwendung von Energie und anderen Ressourcen.

Lebensmittel: saisonal

Auch Verarbeitung, Lagerung und Transport von Lebensmitteln kosten viel Energie. Eine Energiewende auf dem Tisch kommt übrigens auch der gesunden Ernährung zugute – denn beiden Zielen kommen frische, regionale und vor allem wenig verarbeitete Lebensmittel entgegen. Und wer Platz im Garten hat und seinen Thujastrauch durch einen Apfelbaum ersetzt (gerne auch in der Stadt, dann nennt man das neudeutsch Urban Gardening), hat auch ein Stück Energiewende vollbracht. Denn energiesparender kann Ernährung nicht sein.

Auto stehen lassen

Der Verkehr ist in Deutschland für fast 30 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Entsprechend groß sind hier die Einsparpotenziale, auch finanziell. Während Umweltminister Peter Altmaier immer gerne die Kosten der Energiewende berechnet, kann man im Verkehrssektor durch eine Energiewende im Gegenteil richtig viel Geld sparen. Ein einfaches Beispiel: Wer konsequent seine Kurzstrecken statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zurücklegt, kann im Jahr durchaus 1.000 Euro sparen.

Und wie hältst du’s mit dem Fliegen?

Ein ganz heikles Thema, das mit der Energiewende so wenig vereinbar ist, wie das Rauchen mit gesundem Leben. Der Oldenburger Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech hat einmal gesagt: Auf legale Weise kann man der Umwelt kaum mehr schaden als mit einer Flugreise.